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Pekingbesuch des Kanzlers
Schröder für Ende des Waffenembargos gegen China
Von Günter Bannas, Peking

01. Dezember 2003 Bundeskanzler Schröder will sich innerhalb der Europäischen Union dafür einsetzen, das Waffenembargo gegen die Volksrepublik China aufzuheben. Diese Zusage machte Schröder in einem Gespräch mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao. Schröder war am Montag in Peking zu seinem fünften Besuch Chinas eingetroffen.

In den Unterredungen mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao und mit Wen Jiabao wurden die deutsch-chinesischen Beziehungen von beiden Seiten als weitgehend frei von Schwierigkeiten und als geradezu freundschaftlich beschrieben. Doch wurde deutlich, daß das Interesse der chinesischen Regierung an der Transrapid-Technik von technischen und finanziellen Bedingungen abhängig ist.

Handelsbeziehungen weiter fördern

Zur Fortsetzung des "Rechtsstaatsdialoges" unterzeichnete die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries mit ihrem Amtskollegen ein weiteres Zweijahresprogramm. Schröder versicherte, er werde sich an die Absprache halten, jedes Jahr einmal nach China zu reisen; damit will er der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung Chinas für die deutsche Exportindustrie gerecht werden und die Handelsbeziehungen weiter fördern. Schröder lud Wen nach Deutschland ein. Dieser sagte zu, bei seiner nächsten Europa-Reise die Bundesrepublik zu besuchen.

In ihrer Unterredung sprach Wen den Bundeskanzler auf das Waffenembargo der EU an, das diese 1989 nach der Niederschlagung der Demonstrationen 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens verhängt hatte. Damit machte Wen chinesische Interesse an Rüstungsimporten aus der EU deutlich. Schröder versicherte, an dieser Frage "konstruktiv" zu arbeiten.

In der Bundesregierung wurde darauf hingewiesen, daß sich die französische Regierung für eine Aufhebung des Embargos einsetze. Diese Auffassung werde von der Bundesregierung geteilt. Auch mit Politikern der Grünen sei hierüber schon gesprochen worden, hieß es. Wen Jiabao habe in dem Gespräch mit Schröder aber keine spezifizierten Wünsche nach Waffenimporten vorgelegt. Vielmehr wolle die chinesische Seite die Angelegenheit "grundsätzlich" geklärt wissen.

"Symbol" Transrapid

Die Transrapidtechnik wurde in den Unterredungen am Montag nicht angesprochen. In der Bundesregierung wurde daran erinnert, daß Schröder erst Ende 2002 bei der Inbetriebnahme der Erprobungsphase des Transrapids in Schanghai (vom Flughafen über etwa 30 Kilometer in die Innenstadt) anwesend gewesen sei. Doch scheinen sich Hoffnungen zu zerschlagen, eine längere Strecke oder gar die Linie von Peking nach Schanghai mit einer Transrapid-Trasse zu verbinden. Wen Jiabao nannte nach dem Gespräch mit Schröder auf einer Pressekonferenz die Teststrecke in Schanghai zwar ein "Symbol" der Kooperation zwischen China und Deutschland. Doch sei für weitere Projekte dieser Art "mehr Zeit" erforderlich.

Es müßten weitere Studien und wissenschaftliche Arbeiten in Auftrag gegeben werden, die sich mit dieser Technik auseinandersetzen. In jedem Falle müsse es für neue Verkehrslinien internationale Ausschreibungen geben. Die chinesische Führung werde bei einer Verbindung von Peking nach Schanghai von ausländischen "Erfahrungen" Gebrauch machen. Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Heinrich von Pierer, sagte, nach Aufnahme der Strecke in Schanghai könnten "weitere Entscheidungen spruchreif werden", Pierer sprach von einer "guten Nachricht". Auch bei anderen Großprojekten habe sich die chinesische Seite Zeit gelassen. Pierer sagte voraus, Ministerpräsident Wen Jiabao werde nüchtern zwischen der Rad-Schiene-Technik und der Magnetschwebe-Technik entscheiden und dabei auch Preiskalkulationen anstellen.

Handelsvolumen von 40 Milliarden Dollar

Schröder wird auf seiner Reise, die an diesem Dienstag in Kanton mit einem Besuch der dortigen ersten Internationalen Automobilmesse fortgesetzt wird, von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet. Am Montag wurde in seinem Beisein die Niederlassung des Touristikunternehmens TUI mit einem chinesischen Partner eröffnet. Auch wurden Gründungsdokumente zu einer deutsch-chinesischen Bausparkasse unterzeichnet, an der die Bausparkasse Schwäbisch Hall beteiligt ist. Wen verwies darauf, daß China - mittlerweile vor Japan - der größte Handelspartner Deutschlands in Asien sei und daß Deutschland Chinas größter Handelspartner in Europa sei. In diesem Jahr werde das Handelsvolumen 40 Milliarden Dollar umfassen.

Schröder und Wen würdigten in diesem Zusammenhang die wachsende Bedeutung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Zur Förderung des Handels wurde die Einrichtung von Generalkonsulaten in Frankfurt am Main und in der südwestchinesischen Metropole Chengdu vereinbart, die Schröder zum Abschluß seiner Reise nach China am Mittwoch besuchen wird.

"Rechtsstaatsdialog" soll Beschränkung auf Menschenrechte vermeiden

Der "Rechtsstaatsdialog", den Schröder in einem Abkommen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Zhu Rongji vereinbart hatte, soll nach Auffassung der Bundesregierung eine Beschränkung rechtspolitischer Gespräche auf die Frage der Menschenrechte vermeiden. In dem nun vereinbarten neuen Zwei-Jahres-Programm sind auch Fragen der Rechtsberatung im Haushalts- und Steuerrecht, der Wirtschaftsgesetzgebung und der "Bürgerbeteiligung" enthalten. Es sollen auch "Regelwerke" zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität und der Korruption ausgearbeitet werden. Ein weiterer Schwerpunkt wird in diesem Zusammenhang der Austausch von Studenten sein.

In den außenpolitischen Fragen, gesprochen wurde vor allem über die Lage in Afghanistan und im Irak, wurde in den Unterredungen Einvernehmen festgestellt. Der Staatspräsident und KP-Generalsekretär Hu Jintao sagte in dem Gespräch mit Schröder, China werde seine "instrumentelle Rolle" zur Lösung der Denuklearisierung Nordkoreas weiter spielen und seine "guten Dienste" anbieten. Er habe sich optimistisch gezeigt, dieses "Fernziel" zu erreichen, hieß es in der Verhandlungsdelegation. Die chinesische Seite habe auch Interesse über die Aufgabe des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan (Kundus) zur Stabilisierung des Landes gezeigt und neige dazu, diesen Prozeß zu unterstützen. Einig seien sich beide Seiten auch gewesen, daß im Irak möglichst zügig die Macht in irakische Hände übergehen solle.

Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.12.2003, Nr. 280 / Seite 1
Bildmaterial: dpa/dpaweb
 


© ETIC  10/12/2003 20:59  Published By A. Karakash