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Jahresbericht 2003
Berichtszeitraum 1. Januar bis 31.
Dezember 2002
CHINA (einschließlich der
Sonderverwaltungsregionen Hongkong und
Macau)
Amtliche Bezeichnung:
Volksrepublik China
Staatsoberhaupt:
Jiang Zemin
Regierungschef:
Zhu Rongji
Todesstrafe:
nicht abgeschafft
Internationaler Strafgerichtshof:
Statut nicht unterzeichnet
Es waren erneut schwere
Menschenrechtsverletzungen zu
verzeichnen. In gewissen Bereichen
verschlechterte sich die
Menschenrechtslage im Vergleich zu den
Vorjahren. Nach wie vor wurden
Zehntausende Personen willkürlich
festgenommen oder inhaftiert, weil sie
in friedlicher Weise ihre Rechte auf
freie Meinungsäußerung, Religions- oder
Vereinigungsfreiheit wahrgenommen
hatten. Einige von ihnen wurden zu
Freiheitsstrafen verurteilt, gegen viele
andere ergingen von der Verwaltung ohne
Anklage oder Prozess verhängte
Haftanordnungen. Eine im April 2001
unter der Bezeichnung »Hartes
Durchgreifen« gestartete Kampagne zur
Verbrechensbekämpfung wurde um ein
weiteres Jahr verlängert. Nach
vorläufigen Angaben sind im Zuge der
Kampagne mindestens 1921 Menschen in
oftmals unfairen Gerichtsverfahren zum
Tode verurteilt und 1060 Personen
hingerichtet worden. Folterungen und
Misshandlungen blieben weit verbreitet
und scheinen infolge der
Anti-Kriminalitäts-Kampagne noch
zugenommen zu haben. Die Kampagne
richtete sich auch gegen Personen, die
des »ethnischen Separatismus«, des
»Terrorismus« und des »religiösen
Extremismus« in der Autonomen
Uigurischen Region Xinjiang (Sinkiang)
beschuldigt wurden, sowie gegen Anhänger
der spirituellen Bewegung Falun Gong. Es
wurden weitere Bestimmungen erlassen, um
den Zugang zum Internet zu
kontrollieren. Verbreitet fanden
Arbeiterproteste statt, gegen die die
Behörden oftmals mit exzessiver Gewalt
vorgingen und in deren Verlauf sie
Menschen willkürlich in Haft nahmen. In
Xinjiang wurden die kulturellen und
religiösen Rechte der vornehmlich
moslemischen ethnischen Minderheit der
Uiguren weiter eingeschränkt. Ungeachtet
der vorzeitigen Freilassung von sieben
gewaltlosen politischen Gefangenen
blieben die Rechte auf freie
Meinungsäußerung und auf
Religionsfreiheit in Tibet massiv
beschnitten.
Hintergrundinformationen
Maßnahmen zur Stärkung der
Rechtsstaatlichkeit und der Justiz
wurden nach wie vor durch politische
Kampagnen gegen vermeintliche
Regierungsgegner konterkariert. Mit
nationalistischen Appellen an die
Einheit des Landes und unter Berufung
auf die nationale Sicherheit und soziale
Stabilität rechtfertigten die Behörden
ihr massives Vorgehen sowohl gegen
ethnische und religiöse Minderheiten in
den äußeren westlichen Regionen als auch
gegen nicht zugelassene religiöse und
spirituelle Gruppierungen in ganz China.
Im Zuge der anhaltenden Kampagne zur
Verbrechensbekämpfung wurden – oftmals
ohne ordentliches Gerichtsverfahren –
erneut Todesurteile und drakonische
Gefängnisstrafen verhängt. Auch griffen
die Behörden auf Folter- und
Misshandlungspraktiken zurück, um von
Straftatverdächtigen
»Schuldgeständnisse« zu erpressen.
Im November wurde Hu Jintao auf dem 16.
Kongress der Kommunistischen Partei
Chinas zum Nachfolger von Jiang Zemin
als Generalsekretär der Partei gewählt.
Es wurde erwartet, dass er im März 2003
auch das Amt des Staatspräsidenten
übernehmen wird. Im Vorfeld des
Parteikongresses wurde die Kampagne
»Hartes Durchgreifen« intensiviert,
nachdem sie im April für ein weiteres
Jahr verlängert worden war.
Im August ratifizierte die Volksrepublik
China die Konvention Nr. 182 der
Internationalen Arbeitsorganisation über
die Beseitigung der schlimmsten Formen
von Kinderarbeit. Gleichzeitig erließ
die Regierung mit Wirkung vom 1.
Dezember 2002 eine Direktive zum Verbot
der Kinderarbeit.
Ergänzungen des Strafgesetzbuches zur
»Bekämpfung des Terrorismus«, die Ende
Dezember 2001 verabschiedet worden
waren, erweiterten den Anwendungsbereich
der Todesstrafe und beinhalteten vage
formulierte Definitionen von
»terroristischen« Organisationen und
Aktivitäten, was Anlass zu der
Befürchtung gab, sie könnten dazu
missbraucht werden, die legitime
Wahrnehmung der Rechte auf freie
Meinungsäußerung und
Vereinigungsfreiheit zu beschneiden.
Entgegen ihrer früheren Praxis
unterließen es die Mitgliedstaaten der
UN-Menschenrechtskommission auf ihrer
Sitzung im April in Genf, eine
Resolution über die
Menschenrechtssituation in China
vorzulegen. Im August stattete Mary
Robinson, die UN-Hochkommissarin für
Menschenrechte, der Volksrepublik China
einen Besuch ab und brachte bei ihren
Treffen mit den Behörden verschiedene
Anliegen zur Sprache, darunter die
Unterdrückung ethnischer Minderheiten,
die Inhaftierung politischer Gefangener
nach unfairen Gerichtsverfahren und die
Todesstrafe.
Arbeiterrechte und soziale Unruhen
Die Arbeiterproteste der Vorjahre
hielten im Berichtszeitraum unvermindert
an. Zu den am häufigsten genannten
Ursachen gehörten niedrige Löhne,
korrupte Betriebsleitungen,
Massenentlassungen, gefährliche
Arbeitsbedingungen und restriktive
Arbeitsvorschriften in Fabriken.
Die Polizei begegnete vielen dieser
Proteste mit exzessiver Gewaltanwendung,
was Verletzte zur Folge hatte.
Protestteilnehmer wurden drangsaliert,
inhaftiert und einige von ihnen zu
langjährigen Gefängnisstrafen
verurteilt. Rechtsanwälte, welche als
Verteidiger der protestierenden Arbeiter
auftraten, und Journalisten, die über
die Proteste berichteten, wurden
eingeschüchtert oder festgenommen.
Eine Novellierung vom Oktober 2001 zum
Gewerkschaftsgesetz brachte sowohl
gewisse Verbesserungen als auch weitere
Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte.
Die Neufassung des Gesetzes enthielt
massive Einschnitte in die Rechte auf
freie Meinungsäußerung und
Vereinigungsfreiheit. Die Gründung
unabhängiger Gewerkschaften blieb
verboten.
Die vier Arbeiterführer Yao Fuxin, Xiao
Yunliang, Pang Qingxiang und Wang
Zhaoming wurden in Haft genommen,
nachdem sie im März in der Stadt
Liaoyang in der nordostchinesischen
Provinz Liaoning an
Massendemonstrationen der von einer
Fabrik entlassenen Arbeiter teilgenommen
hatten. Wang Zhaoming und Pang Qingxiang
kamen im Dezember gegen Kaution frei,
doch wurde Wang Zhaoming Berichten
zufolge wenig später erneut
festgenommen, offenbar weil er einen
Rechtsanwalt damit betraut hatte, die
Behörden wegen seiner neunmonatigen Haft
zu verklagen. Yao Fuxin und Xiao
Yunliang wurden dem Vernehmen nach der
»Subversion« angeklagt. Ihr Prozess
hatte bis Ende des Jahres noch nicht
begonnen.
Auch in den ländlichen Gebieten kam es
zu weiteren Protesten gegen Korruption,
hohe Steuerlasten und andere Missstände.
Erneut wurden Teilnehmer an den
Protesten festgenommen und einige von
ihnen zu langjährigen Haftstrafen
verurteilt.
Unterdrückung spiritueller und
religiöser Gruppierungen
Angehörige nicht genehmigter
spiritueller und religiöser
Gruppierungen, zu denen mehrere
Vereinigungen der traditionellen
Meditationstechnik Qigong und nicht
registrierte christliche
Glaubensgemeinschaften zählten, wurden
weiterhin willkürlich inhaftiert,
misshandelt und gefoltert.
Die Unterdrückung der spirituellen
Bewegung Falun Gong, die im Juli 1999
als »ketzerische Organisation« verboten
worden war, nahm an Intensität zu,
insbesondere nachdem Falun-Gong-Anhänger
Kabel angezapft und den
Satellitenempfang manipuliert hatten, um
Botschaften ihrer Bewegung über das
Fernsehen zu verbreiten.
Zehntausende von Falun-Gong-Anhängern
verblieben in Haft. Die meisten von
ihnen waren in Lagern und Haftanstalten
zum Zwecke der »Umerziehung durch
Arbeit« inhaftiert, einige hat man aber
auch in Gefängnisse und psychiatrische
Krankenhäuser eingewiesen. Personen, die
beschuldigt wurden, Proteste der Falun
Gong organisiert zu haben, wurden in
offenkundig unfairen Gerichtsverfahren
zu Freiheitsstrafen verurteilt. Viele
der inhaftierten Falun-Gong-Anhänger
liefen Gefahr, misshandelt und gefoltert
zu werden, wenn sie sich weigerten,
ihrem Glauben abzuschwören. Bis Ende des
Berichtsjahres erhöhte sich die Zahl der
Falun-Gong-Anhänger, die in der Haft
gestorben sein sollen, auf etwa 500.
Zhao Ming, ein Falun-Gong-Anhänger aus
Changchun in der Provinz Jilin, gab an,
während seiner Haft von Juni 2000 bis
März 2002 im Lager für »Umerziehung
durch Arbeit« in Tuanhe in der
Hauptstadt Beijing (Peking) mit Fäusten
traktiert, mit Elektroschlagstöcken
gepeinigt, am Schlafen gehindert und
zwangsernährt worden zu sein.
Angehörige inoffizieller christlicher
Gruppierungen wurden ebenfalls
festgenommen und einige von ihnen zu
langjährigen Gefängnisstrafen
verurteilt. Mehrere erhoben den Vorwurf,
im Gewahrsam der Polizei gefoltert und
misshandelt worden zu sein.
Politische Aktivisten,
Menschenrechtsverteidiger und
Internetnutzer
Politisch engagierte Bürger,
Menschenrechtsverteidiger und Nutzer des
Internets wurden festgenommen und
inhaftiert, weil sie in friedlicher
Weise ihr Recht auf freie
Meinungsäußerung und
Vereinigungsfreiheit wahrgenommen
hatten. Viele von ihnen mussten sich
gegen Anklagen im Zusammenhang mit
»Staatsgeheimnissen« oder »Subversion«
wehren – beides vage formulierte
Straftatbestände, mit denen die Behörden
häufig abweichende und kritische
Meinungen zu unterdrücken versuchten.
Mehrere Personen verbüßten lange
Haftstrafen, weil sie »politisch
brisante« Informationen im Internet
verbreitet hatten.
Ende Januar 2001 eingeführte
Bestimmungen sahen die Todesstrafe für
Personen vor, die durch die Weitergabe
von »Staatsgeheimnissen« über das
Internet an Organisationen und
Einzelpersonen im Ausland »besonders
schweren Schaden« anrichten. Im Januar
des Berichtsjahres gab das Ministerium
für die Informationstechnologie neue
Bestimmungen bekannt, welche die
Anbieter von Internetdiensten dazu
verpflichteten, die Nutzung des
Internets schärfer zu überwachen. Im
November trat eine Verordnung des
Kulturministeriums in Kraft, mit der das
Betreiben von Internet-Cafés und der
Zugang zum Internet Einschränkungen
unterworfen wurden.
Der Publizist Chen Shaowen aus der
Provinz Hunan wurde nach vorliegenden
Meldungen am 6. August festgenommen,
nachdem er »bis zu 40 reaktionäre
Artikel und Aufsätze« ins Internet
gestellt hatte. Nach offiziellen Angaben
legte ihm die Anklage »Untergrabung der
Staatsgewalt« zur Last. Chen Shaowen
soll zahlreiche Artikel für ausländische
chinesischsprachige Webseiten verfasst
haben, in denen er die Forderung nach
unabhängigen Arbeiter- und
Bauerngewerkschaften erhoben und Themen
wie die wachsende soziale Kluft in China
und das mangelhafte Rechtssystem
angeschnitten hatte.
Der Dissident Xu Wenli, ein Veteran der
chinesischen Demokratiebewegung, wurde
neun Jahre vor Ablauf seiner
Gefängnisstrafe aus der Haft entlassen
und in die USA ins Exil geschickt. Xu
Wenli verbüßte zuletzt wegen
»Subversion« eine 13-jährige
Freiheitsstrafe, zu der er 1998 nach
Gründung der Chinesischen Demokratischen
Partei verurteilt worden war. Laut
offizieller Darstellung gewährte man ihm
aus gesundheitlichen Gründen
Haftverschonung, nachdem er im Gefängnis
an Hepatitis B erkrankt war.
Folterungen und Misshandlungen
Folterungen und Misshandlungen waren
nach wie vor weit verbreitet und wurden
aus vielen staatlichen Einrichtungen,
aber auch aus Betrieben und dem
häuslichen Bereich gemeldet. Unter den
Opfern befanden sich sowohl krimineller
Taten oder politischer Vergehen
verdächtigte Personen als auch
unbeteiligte Augenzeugen von Protesten,
Wanderarbeiter, Obdachlose und der
Prostitution beschuldigte Frauen. Zu den
gängigen Foltermethoden zählten
Fußtritte, Schläge, Elektroschocks, das
Aufhängen an den Armen, das Fesseln in
schmerzhaften Körperstellungen sowie
Schlaf- und Nahrungsentzug.
Im Juni räumte Zhu Chunlin, ein
leitender Beamter des Ministeriums für
öffentliche Sicherheit, ein, dass die
Anwendung der Folter zur Erzwingung von
»Geständnissen« nach wie vor ein Problem
darstelle und dass eine strengere
Polizeidisziplin und mehr Untersuchungen
derartiger Übergriffe vonnöten seien.
Gong Shengliang und vier weitere Männer
wurden im Dezember 2001 im Zusammenhang
mit ihrer Zugehörigkeit zu einer
inoffiziellen christlichen Gruppierung
zum Tode verurteilt. Zuvor waren
offenbar Belastungszeuginnen gefoltert
worden. So berichteten drei Frauen, von
der Polizei unter Folterungen zu der
Aussage gezwungen worden zu sein, eine
sexuelle Beziehung zu Gong Shengliang
gehabt zu haben, der daraufhin unter
anderem der Vergewaltigung für schuldig
befunden wurde. Die Frauen gaben an,
angekettet, ausgepeitscht, mit
Fußtritten traktiert und mit
Elektroschlagstöcken auf die entblößte
Brust geschlagen worden zu sein. Im
Oktober wurden die Todesurteile gegen
die vier Männer in lebenslange
Haftstrafen umgewandelt, nachdem wegen
»mangelnder Beweise und einer unklaren
Faktenlage« eine Neuverhandlung ihres
Falles angesetzt worden war. Doch auch
die revidierten Urteile des zweiten
Verfahrens schienen zum Teil auf unter
Folterungen erpressten »Geständnissen«
zu basieren.
Administrativhaft, unfaire
Gerichtsverfahren und
Rechtsstaatlichkeit
Die Kombination aus repressiven und vage
formulierten Strafgesetzen, der Praxis
der Administrativhaft, einer schwachen
und willfährigen Justiz und der
Straflosigkeit für Behördenvertreter,
die ihre Macht missbraucht haben, hatten
weit verbreitete
Menschenrechtsverletzungen zur Folge.
Wie bereits in den vergangenen Jahren
war bei zwei Formen der
Administrativhaft ein erheblicher
Anstieg zu verzeichnen. Über eine
Million Menschen, darunter
Wanderarbeiter, Obdachlose und
Straßenkinder, wurden auf der Grundlage
eines Systems namens »Gewahrsam und
Repatriierung« in Haft gehalten.
Den letzten verfügbaren offiziellen
Angaben zufolge saßen Anfang 2001 etwa
310 000 Personen ebenfalls ohne Anklage
oder Prozess zur »Umerziehung durch
Arbeit« in Lagern ein. Aufgrund der
seitdem intensivierten Kampagne und
infolge weiter zunehmender Repression
gegen die Falun-Gong-Bewegung ist davon
auszugehen, dass die Zahlen für 2002
noch beträchtlich höher liegen.
Straftatverdächtigte und politischer
Vergehen beschuldigte Personen konnten
nach wie vor nicht mit einem
ordentlichen, rechtsstaatlichen
Verfahren rechnen. Politische Prozesse
entsprachen bei weitem nicht den
internationalen Standards für ein faires
Gerichtsverfahren, da die Urteile und
das Strafmaß gewöhnlich bereits vor
Verhandlungsbeginn von den Behörden
festgelegt wurden und Berufungsinstanzen
eine reine Formalität darstellten. Im
Zusammenhang mit »Staatsgeheimnissen«
angeklagte Personen wurden in ihren
Rechten noch stärker beschnitten und
mussten sich unter Ausschluss der
Öffentlichkeit vor Gericht verantworten.
Im Zuge der Kampagne »Hartes
Durchgreifen« kam es vermehrt zur
Anwendung von Folter als Mittel zur
Erzwingung von »Geständnissen« sowie zu
verkürzten Gerichtsverfahren.
Wang Wanxing, ein langjähriger
Menschenrechtsverteidiger, der mit
Ausnahme eines dreimonatigen Zeitraums
im Jahr 1999 seit zehn Jahren unentwegt
inhaftiert ist, befindet sich nach wie
vor in der psychiatrischen Klinik Ankang
in Beijing, obwohl er Berichten zufolge
nicht an psychischen Problemen leidet.
Mitte des Jahres 2002 soll er in eine
geschlossene Abteilung verlegt worden
sein, wo ein noch strengeres Regime
herrscht und jeglicher Kontakt mit der
Außenwelt überwacht wird.
Todesstrafe
Die Todesstrafe wurde auch im Jahr 2002
in großem Umfang angewandt und
willkürlich sowie häufig aufgrund
politischer Einflussnahme verhängt. Der
seit Beginn der Kampagne »Hartes
Durchgreifen« zu beobachtende Anstieg an
Todesurteilen und Exekutionen setzte
sich im Berichtszeitraum fort,
insbesondere im Vorfeld des Kongresses
der Kommunistischen Partei im November.
Oftmals wurden Angeklagte wegen
Straftaten zum Tode verurteilt, für die
sie früher zu einer Gefängnisstrafe
verurteilt worden wären.
Todesurteile wurden sowohl wegen
Drogendelikten und Gewaltverbrechen als
auch wegen Straftaten ohne
Gewalteinwirkung wie Steuerhinterziehung
und Zuhälterei verhängt. Bis Ende des
Jahres hatte amnesty international auf
der Grundlage der nur begrenzt zur
Verfügung stehenden Informationen
insgesamt 1921 Todesurteile und 1060
Hinrichtungen registriert, wenngleich
die tatsächlichen Zahlen um vieles höher
gewesen sein dürften. Todesurteile
wurden durch Erschießen oder eine
tödliche Injektion vollstreckt und
fanden bisweilen binnen Stunden nach der
Urteilsverkündung statt. Wie in den
Vorjahren trafen wiederholt Berichte
über Justizirrtümer ein, verursacht
durch unter Folterungen erzwungene
»Geständnisse«.
Im Juni wurden anlässlich des von den
Vereinten Nationen ausgerufenen
Anti-Drogen-Tages am 26. Juni in ganz
China mindestens 150 Personen wegen
Drogendelikten hingerichtet.
Flüchtlinge und Asylsuchende aus
Nordkorea
Hunderte, wenn nicht gar Tausende von
Asylsuchenden aus der Demokratischen
Volksrepublik Korea (Nordkorea) wurden
im Laufe des Jahres im Nordosten Chinas
festgenommen und gegen ihren Willen in
ihr Heimatland zurückgebracht. Somit
wurde ihnen jede Möglichkeit eines
Asylprüfungsverfahrens vorenthalten,
obwohl ernst zu nehmende Hinweise dafür
vorlagen, dass viele von ihnen einen
Asylanspruch geltend machen konnten.
Darüber hinaus stellten die
Zwangsrückführungen einen Verstoß gegen
die Genfer Flüchtlingskonvention der
Vereinten Nationen von 1951 dar, zu
deren Vertragsstaaten die Volksrepublik
China gehört.
Während des Berichtsjahres suchten in
mehreren chinesischen Städten zahlreiche
Nordkoreaner in ausländischen
diplomatischen Vertretungen Zuflucht, um
auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen
und einen Asylantrag stellen zu können.
Die chinesischen Behörden reagierten
darauf mit einem verschärften Vorgehen
gegen nordkoreanische Flüchtlinge, vor
allem in den an Nordkorea angrenzenden
Provinzen, und ihrer Rückführung in ihr
Heimatland, wo sie ein ungewisses
Schicksal erwartete. Die massiven
Repressionsmaßnahmen richteten sich auch
gegen vermeintliche Unterstützer
nordkoreanischer Flüchtlinge in China,
darunter Mitarbeiter religiöser und
ausländischer Hilfsorganisationen sowie
koreanischstämmige Staatsbürger der
Volksrepublik China, von denen viele
festgenommen und verhört wurden.
Autonome Uigurische Region Xinjiang
In der Region fanden weiterhin
verbreitet schwere
Menschenrechtsverletzungen statt,
darunter Folterungen, willkürliche
Inhaftierungen und unfaire politische
Prozesse. Die chinesischen Behörden
beriefen sich erneut auf die Anschläge
in den USA vom 11. September 2001, um
weitere Repressionsmaßnahmen gegen die
turksprachige Minderheit der Uiguren zu
rechtfertigen; dies umso mehr, nachdem
die USA und die Vereinten Nationen die
Islamische Bewegung Ost-Turkestan als
»terroristische Organisation« eingestuft
hatten. Auch im Rahmen der
Anti-Kriminalitäts-Kampagne »Hartes
Durchgreifen« und unter Anwendung der in
das Strafgesetzbuch neu aufgenommenen
Bestimmungen zur »Terrorismusbekämpfung«
wurden die Unterdrückungsmaßnahmen
ausgeweitet.
Zu dem massiven Vorgehen gegen
vermeintliche Regierungsgegner, die
pauschal zu »ethnischen Separatisten,
Terroristen und religiösen Extremisten«
abgestempelt wurden, gehörten neue
Beschränkungen der Religionsfreiheit,
die Schließung von Moscheen und
verordnete »politische Schulungen« für
Akademiker, Künstler, Personen mit
Schlüsselpositionen in den Medien sowie
für islamische Geistliche. Erneut fanden
Festnahmen von mutmaßlichen
»Separatisten« und »Terroristen« statt,
von denen einige zu langen Haftstrafen
verurteilt, andere hingerichtet wurden.
Tausende politische Gefangene, darunter
auch gewaltlose politische Gefangene,
blieben inhaftiert.
Der Uigure und gewaltlose politische
Gefangene Tohti Tunyaz verbüßte
weiterhin seine elfjährige
Freiheitsstrafe, zu der er wegen seiner
Forschungsarbeit über die Geschichte der
Uiguren verurteilt worden war. Der in
Japan promovierende Historiker war 1998
während eines Forschungsaufenthalts in
Xinjiang verhaftet und im März 1999
wegen »Anstiftung zum Separatismus« und
»widerrechtlicher Aneignung von
Staatsgeheimnissen« schuldig gesprochen
worden. Sein Berufungsverfahren endete
im Februar 2000 mit der
Aufrechterhaltung von Schuldspruch und
Strafmaß.
Autonome Region Tibet und andere
Regionen mit tibetischer Bevölkerung
Es gab Anzeichen für einen Wandel in der
Haltung der chinesischen Regierung
gegenüber der tibetischen Opposition,
als Ngawang Choephel, Jigme Sangpo, die
Nonne Ngawang Sangdrol und vier weitere
gewaltlose politische Gefangene aus der
Haft entlassen wurden. Außerdem fanden
Treffen zwischen den chinesischen
Behörden und Vertretern der tibetischen
Exil-Regierung statt. Gleichzeitig
blieben jedoch die Rechte auf freie
Meinungsäußerung, Religions- und
Vereinigungsfreiheit in hohem Maße
eingeschränkt. Auch weiterhin wurden
buddhistische Klöster zerstört und die
Nonnen und Mönche daraus vertrieben. Im
Dezember ergingen zum ersten Mal seit
vielen Jahren wieder Todesurteile gegen
Angehörige der tibetischen Volksgruppe
wegen angeblicher politischer
Straftaten. Mehr als 180 Personen,
überwiegend Mönche und Nonnen, befanden
sich nach wie vor unter Missachtung
ihrer Grundrechte in Haft. Menschen
wurden erneut willkürlich festgenommen
und in unfairen Gerichtsverfahren
abgeurteilt. Und auch weiterhin trafen
Meldungen über Misshandlungen und
Folterungen an Häftlingen ein.
Zahlreiche Gefangene litten wegen der
miserablen Haftbedingungen an
gesundheitlichen Beschwerden.
Im Dezember wurde gegen den tibetischen
Religionslehrer und geistlichen
Würdenträger Tenzin Deleg Rinpoche wegen
»Anstiftung zum Separatismus« und
»Verursachens von Explosionen« die
Todesstrafe verhängt, deren
Vollstreckung allerdings für zwei Jahre
zur Bewährung ausgesetzt. Sein
Mitarbeiter Lobsang Dhondup wurde
zusätzlich des »illegalen Besitzes von
Schusswaffen und Munition« für schuldig
befunden und ebenfalls zum Tode
verurteilt. Beide Männer hatten
Berichten zufolge nach ihrer Festnahme
im April acht Monate lang keinen Kontakt
zur Außenwelt aufnehmen dürfen. Es gab
Anlass zu der Befürchtung, dass ihr
Prozess unfair gewesen ist und dass die
Anklagen gegen Tenzin Deleg Rinpoche
konstruiert worden sind, um ihn wegen
seiner religiösen Aktivitäten und seines
sozialen Engagements zu bestrafen.
Sonderverwaltungsregion Hongkong
Eine im Berichtszeitraum 2002
verabschiedete Verordnung zur Bekämpfung
des Terrorismus (Anti-Terrorist
Ordinance) ließ befürchten, dass sie zur
Einschränkung der Menschenrechte
missbraucht werden könnte. Die Regierung
veröffentlichte ein Konsultationspapier
über geplante Gesetzesänderungen
bezüglich Artikel 23 des Hongkonger
Grundgesetzes (Basic Law). Dieser
Artikel erlaubt es der
Sonderverwaltungsregion Hongkong, ihre
eigenen Gesetze zu erlassen, um
Handlungen wie Landesverrat, Abspaltung,
Staatsgefährdung und Subversion zu
verbieten. Es bestand die Sorge, dass
die angekündigten Änderungen dazu
missbraucht werden könnten, um die
Rechte auf freie Meinungsäußerung und
Vereinigungsfreiheit sowie die legitimen
Aktivitäten von
Nichtregierungsorganisationen und der
Medien einzuschränken.
Die Polizei schritt dem Vernehmen nach
mit übermäßiger Gewalt gegen
Protestveranstaltungen ein, die
wirtschaftliche Streitfragen und
aufenthaltsrechtliche Bestimmungen zum
Gegenstand hatten. Drei prominente
Aktivisten wurden festgenommen und
angeklagt, eine gemäß der novellierten
Verordnung über öffentliche Sicherheit
und Ordnung (Public Order Ordinance)
nicht genehmigte Versammlung organisiert
zu haben. Dies war das erste Mal, dass
die abgeänderte Verordnung zur Anwendung
kam. Im November wurden zwei andere
bekannte Aktivisten festgenommen und
desselben Tatbestands angeklagt, nachdem
sie im Mai eine Demonstration aus
Protest gegen die Festnahme ihrer drei
Gesinnungsgenossen veranstaltet hatten.
Anhänger der Falun-Gong-Bewegung, die in
Hongkong eine eingetragene Vereinigung
ist, wurden im Zuge friedlicher
Demonstrationen festgenommen und gaben
an, von der Polizei misshandelt worden
zu sein. Im August befand ein Gericht 16
Anhänger der Falun Gong im Zusammenhang
mit einer Demonstration vom März der
Behinderung für schuldig. Es wurden
Vorwürfe laut, das Gerichtsverfahren
gegen die 16 sei aus politischen Gründen
angestrengt worden.
Sonderverwaltungsregion Macau
Die Polizei soll erneut in ihrem
Gewahrsam befindliche Personen mit
Schlägen traktiert und gefoltert haben.
Mindestens ein Häftling kam unter
umstrittenen Umständen ums Leben. Die
Polizei ging darüber hinaus dem
Vernehmen nach mit exzessiver Gewalt
gegen Arbeitnehmerproteste vor.
Untersuchungen zur Aufklärung von
Beschwerden über Polizeibrutalität
verliefen nach wie vor schleppend und
nicht zufriedenstellend. Anhänger der
Falun-Gong-Bewegung, die in Macau weder
zugelassen noch verboten war, wurden
Berichten zufolge von der Polizei
drangsaliert, und ausländischen
Falun-Gong-Anhängern hat man die
Einreise nach Macau verwehrt.
Berichte von amnesty international
People's Republic of China: Call for
accountability for Tibetan deaths in
custody in Drapchi Prison (ai-Index: ASA
17/009/2002)
People's Republic of China: China's
anti-terrorism legislation and
repression in the Xinjiang Uighur
Autonomous Region (ai-Index: ASA
17/010/2002)
People's Republic of China: Labour
unrest and the suppression of rights to
freedom of association and expression (ai-Index:
ASA 17/015/2002)
People's Republic of China: Human rights
violations and the crackdown on dissent
continue (ai-Index: ASA 17/047/2002)
People's Republic of China: Establishing
the rule of law and respect for human
rights – the need for institutional and
legal reforms (ai-Index: ASA
17/052/2002)
People's Republic of China: State
control of the Internet in China (ai-Index:
ASA 17/007/2002)
Hong Kong: Article 23 Legislation – the
potential for abuse (ai-Index: ASA
19/004/2002)
Hong Kong: Police must exercise
restraint in handling protesters (ai-Index:
ASA 19/001/2002)
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© ETIC
02/06/2003 09:39 Published By A. Karakash |
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