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"Die Lungenkrankheit SARS hat nach Einschätzung der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) in vier der am
längsten betroffenen Staaten ihren Höhepunkt erreicht.
In Kanada, Singapur, Hongkong und Vietnam werde nicht
mehr mit einem beträchtlichen Anstieg der Zahl der
Infizierten gerechnet, sagte der WHO-Experte David
Heymann. Das gilt nicht für China. Dort starben am
Montag wieder acht Menschen an SARS.
Landesweit kamen insgesamt 203 Erkrankte dazu. Der
deutsche WHO-Virologe Wolfgang Preiser bezeichnete die
Maßnahmen an Chinas Flughäfen zur Eindämmung von SARS
als unzureichend und warnte vor einer Einschleppung
der Krankheit nach Europa. Im ZDFmorgenmagazin
kritisierte Preiser auch die deutschen Kontrollen an
Flughäfen im Zusammenhang mit SARS. "Nach meinen
eigenen Erfahrung, und ich bin am Samstag aus Peking
zurückgeflogen, funktioniert die Kontrolle der
Flugreisenden noch nicht oder nur sehr unzureichend",
sagte der Virologe.
Alarm in China bleibt
In allen Ländern, in denen am 15. März
SARS-Infektionen gemeldet worden seien, sei offenbar
der Höhepunkt erreicht worden, sagte WHO-Experte
Heymann. Das gelte bedauerlicherweise nicht für China.
"Dort nimmt die Zahl (der Infektionen) weiter zu",
sagte er in der thailändischen Hauptstadt Bangkok, wo
sich Staats- und Regierungschefs asiatischer Länder am
Dienstag zu Beratungen über die Lungenkrankheit
versammeln wollen.
In China - ohne Hongkong - wurden annähernd 3000
SARS-Fälle offiziell bestätigt, mehr als 1000 davon in
der Hauptstadt Peking. Dort haben die chinesischen
Behörden aus Angst vor der Ausbreitung von SARS fast
8000 Menschen unter Quarantäne gestellt. Die
Betroffenen hätten in engem Kontakt zu Patienten
gestanden, die am Schweren Akuten Respiratorischen
Syndrom (SARS) erkrankt seien, meldete die
Nachrichtenagentur Xinhua am Montag. Indes ist in
Kanada eine weitere Frau an SARS gestorben.
Unter anderem seien eine Baustelle und mehrere
Wohngebäude der Hochschulen abgeriegelt worden. Auch
mehr als hundert medizinische Einrichtungen stünden
unter Quarantäne. Nach Berichten örtlicher Zeitungen
wurden 128 Medizin-Einrichtungen unter Beobachtung
gestellt.
Öffentliches Leben steht still
Die Behörden hatten am Sonntag die Schließung aller
Pekinger Vergnügungsstätten wie Kinos, Internetcafés,
Theater und Karaoke-Bars angeordnet. In China sind
bislang 131 Menschen der kaum erforschten
Virusinfektion zum Opfer gefallen. Insgesamt sind in
China derzeit 2914 Krankheitsfälle registriert.
Auch Indonesien hat jetzt seinen vermutlich ersten
SARS-Toten gemeldet. Ein taiwanesischer Geschäftsmann
sei am Sonntagabend in einem Krankenhaus in Jakarta
gestorben, teilte das indonesische
Gesundheitsministerium am Montag mit. Ob der
56-Jährige tatsächlich SARS gehabt habe, werde erst
die Obduktion erweisen. Das Ergebnis werde am Mittwoch
erwartet.
In Kanada erlag eine 79 Jahre alte Frau der
rätselhaften Lungenkrankheit, wie die Behörden
meldeten. Sie kam wie alle anderen Todesopfer in dem
nordamerikanischen Land aus der Provinz Ontario. Die
Zahl der SARS-Toten erhöhte sich damit auf 21. Kanada
ist außerhalb Asiens das am stärksten von der
Lungenkrankheit betroffene Land.
Streit mit der WHO
Trotz der immer neuen Todesfälle betonen die
kanadischen Behörden, die Krankheit unter Kontrolle zu
haben. Das Land steht mittlerweile im Streit mit der
Weltgesundheitsorganisation (WHO), die in der
vergangenen Woche eine Reisewarnung für Ontarios
Provinzhauptstadt Toronto ausgesprochen hatte.
Premierminister Jean Chrétien nannte den Hinweis eine
"schlechte Entscheidung".
WHO-Generalsekretärin Gro Harlem Brundtland
bezeichnete es in der BBC am Sonntag dagegen als
"skandalös", dass in Kanada Anspielungen gemacht
wurden, die WHO habe Toronto aus politischen Motiven
auf die Schwarze Liste gesetzt, damit nicht nur
asiatische Städte gebrandmarkt seien. Die WHO wird am
Dienstag über eine mögliche Aufhebung der Reisewarnung
für Kanada entscheiden.
Entwarnung für Hanoi
Unterdessen hat die WHO Vietnam als erstes Land von
ihrer Liste der SARS-Gebiete genommen. Die
Organisation bestätigte Hanoi, die Lungenkrankheit
erfolgreich unter Kontrolle gebracht zu haben. In
Vietnam wurden seit dem 8. April keine neuen
SARS-Fälle registriert. Damit zählt das
südostasiatische Land nicht länger zu den gefährlichen
Regionen. Die WHO hat einen Zeitraum von 20 Tagen ohne
Neuinfektion - das ist die doppelte angenommene
Inkubationszeit - als Kriterium genannt, bevor
Reisewarnungen aufgehoben werden und die Ausbreitung
der Seuche als eingedämmt gilt. Aus Vietnam wurden
fünf SARS-Todesfälle seit Auftreten der Krankheit im
Februar registriert; rund 60 Infektionen wurden
bekannt.
Nach Einschätzung von Experten wird SARS die
Weltwirtschaft voraussichtlich bis zu 30 Milliarden
Dollar (rund 27,3 Milliarden Euro) kosten. Allein
Toronto verliere täglich 30 Millionen Dollar, rechnete
die US-Geschäftsbank JP Morgan dem Wochenmagazin
"Time" vor. China und Südkorea müssten sich wegen
Einbußen in der Tourismusbranche sowie Rückgängen bei
Verkauf und Produktion auf Verluste von jeweils zwei
Milliarden Dollar einstellen. Japan und Hongkong
würden möglicherweise eine Milliarde Dollar verlieren,
für Singapur und Taiwan seien ähnliche Zahlen zu
erwarten.
Das Schwere Akute Atemwegssyndrom (SARS) wurde zuerst
Ende 2002 in Südchina beschrieben und hat sich
inzwischen auf mehr als 20 Staaten ausgebreitet.
Weltweit wurde am Montag von mindestens 5300 Fällen
und 318 Toten berichtet. Die meisten Opfer wurden in
Südost-Asien registriert. Die Krankheit endet in
offenbar mindestens sechs Prozent der Fälle tödlich.
Ein Heilmittel ist nicht bekannt.
Mit Material von REUTERS, AP, AFP
24.04.03, ZDF
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