Xinjiang – Das Land der Uiguren
ist ein Spiegel Tibets
Interview mit Rebiya Kadeer: Eine
andere Minderheit, die gleichen
Probleme
Rebiya Kadeer war
einst die reichste Frau Chinas,
heute macht sie als Sprecherin
der Uiguren weltweit auf die
schwierige Situation ihres
Volkes aufmerksam. (Matthias
Kehrein/ETD)
Epoch Times Deutschland 29.04.2008
14:47
Die muslimische Minderheit der Uiguren mit rund neun Millionen Menschen, die
in Ostturkestan der Autonomen Region Xinjiang leben, gehört zu den vom
kommunistischen Regime am grausamsten behandelten Gruppen. Im Gegensatz zu
Tibet ist die Resonanz westlicher Medien und Politiker auf das Leiden dieses
Volkes recht gering. Dies mag an den geschickt von der chinesischen
Propaganda gestreuten Gerüchten über Verbindungen zum Terrornetzwerk
Al-Kaida liegen, oder auch am bisherigen Fehlen einer charismatischen Person
an ihrer Spitze wie dem Dalai Lama in Tibet.
Mit Rebiya Kadeer, der ehemals reichsten Frau Chinas, haben die Uiguren nun
eine Sprecherin gewählt, die dem Oberhaupt der Tibeter an Charisma nur wenig
nachsteht. Noch Ende der 90er Jahre war sie eine angesehene Geschäftsfrau,
die als Vertreterin der Xinjiang-Region auch vor dem Nationalen
Volkskongress in Peking sprechen durfte. Das Leiden ihres Volkes wollte sie
jedoch vor den Mächtigen Chinas nicht verschweigen - und so fand sie sich
nicht lange später selbst in Einzelhaft in einem der vielen Arbeitslager in
Xinjiang wieder. Sechs Jahre dauerte ihr Martyrium. Das Schlimmste seien die
Schreie der Jugendlichen in der Nebenzelle gewesen, die man folterte, um
damit auch ihren Willen zu brechen, sagte sie später. Heute ist sie
unermüdlich unterwegs, trotz der ständigen Bedrohung für diejenigen ihrer
elf Kinder, die in Xinjiang geblieben sind. Am 21. bis 23. April 2008 fand
in Berlin der Weltkongress der Uiguren statt. Rebiya Kadeer sprach mit uns
über die allgemeine Lage der Uiguren, ihre Hoffnung auf Beachtung durch die
internationale Staatengemeinschaft und die Parallelen ihres Landes mit der
aktuellen Situation in Tibet.
ETD: Warum berichten westliche Medien so viel über Tibet und so wenig
über die Uiguren?
Rebiya Kadeer: Der Hauptgrund ist, dass der Dalai Lama während der
vergangenen vier Jahrzehnte im Westen Aufmerksamkeit erregt hat. Der Dalai
Lama war in der Lage, mit seinem eigenen Volk und seiner eigenen Regierung
aus Tibet zu flüchten. Er ist auch der Religionsführer seines Volks, so dass
er anerkannt war als der Führer seines Volks. In unserem Fall zwangen die
Sowjets die Uiguren-Führung, mit Mao zu verhandeln, und sie sollten nach
China fliegen. Dann wurde behauptet, dass das Flugzeug explodiert sei.
Sieben führende Köpfe der Uiguren, der Präsident und andere Minister, wurden
getötet. Seitdem sind sie in der Lage, unser Gebiet zu kontrollieren. Unsere
politischen Verwaltungen waren nicht in der Lage, zu flüchten. Dann
entwurzelte die chinesische Regierung alle anderen Uiguren, die Führer
hätten werden können. Seither ist es Uiguren-Organisationen rund um die Welt
nicht möglich gewesen, einen Führer für sie zu wählen.
Die chinesische Regierung hat sehr viele Informanten und Spione ausgesandt,
um das Spiel „Teile und Herrsche" zu spielen. Aber dieses Mal, wegen Chinas
schwerwiegender Unterdrückungen, haben die Uiguren beschlossen, sich zu
vereinen. Jetzt spreche ich mit einer Stimme als Vertreterin der Uiguren.
Weil die internationale Gemeinschaft Tibet seit so vielen Jahrzehnten
Aufmerksamkeit geschenkt hat, wird in den Medien so viel über sie berichtet.
Kurz nach den Protesten in Tibet hielten Uiguren, hauptsächlich Frauen, am
23. und 24. März einen sehr friedlichen Protest in Hotan und zogen durch die
Straßen. Die Uiguren glauben, dass, wenn Tibet heute frei wird, wir morgen
frei werden. Obwohl die allgemeine Öffentlichkeit nicht von unserer
Situation weiß, wissen Politiker und Wissenschaftler von unserer Situation.
China betrachtet uns auch als eine sehr sensible Angelegenheit.
ETD: Nach den Demonstrationen am 23. und 24. März - wie ist die Situation
jetzt?
Rebiya Kadeer: Momentan ist die Situation wirklich schrecklich. Die
chinesische Regierung sucht nach Uiguren und sperrt Uiguren ein. Sie
durchsuchen manchmal Haus für Haus, dort ist die Situation wirklich
fürchterlich.
ETD: Gab es in der jüngsten Vergangenheit vermehrt Demonstrationen in
Ost-Turkestan?
Rebiya Kadeer: Die Uiguren haben gegen China protestiert, seit sie
unser Vaterland besetzt haben. Am 18. Januar 2008 erklärte der Richter des
obersten Gerichtshofes bei einer Konferenz, dass es in den vergangenen
Jahren 1.013 Fälle von Unruhe gegeben habe. Das zeigt, dass es dort ähnliche
Proteste bereits gab. Die Behörden sagen, dass sie alle Anti-Regierungs-
oder separatistische Aktivitäten waren.
ETD: 45 Uiguren wurden festgenommen. Es wurde gesagt, sie planten
terroristische Akte. Was sagen Sie dazu?
Rebiya Kadeer: Wegen der Geschehnisse in Tibet hat China sein Gesicht
und seine Glaubwürdigkeit in der Welt verloren. Also richtet die Welt sehr
viel Aufmerksamkeit auf China. Die chinesische Regierung will jetzt die
Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft zerstreuen. Gleichzeitig
richtet das chinesische Volk aber seine Aufmerksamkeit auf die Aktionen der
chinesischen Regierung, weil diese mittels des chinesischen Nationalismus
deren Gefühle in eine andere Richtung bewegen will. Also war die beste
Karte, die sie spielen konnte, die Uiguren-Karte. Daher täuschte die
chinesische Regierung die chinesische Bevölkerung und erfand diese Art von
Bedrohung, nämlich, dass Uiguren Terroristen sind. Anfangs behauptete die
chinesische Regierung die so genannte „Flugzeugentführung", hatte dafür aber
keinerlei Beweise geliefert. Danach verhafteten sie 45 Uiguren und sagten,
dass diese ausländische Journalisten, Reporter und Touristen entführen
wollten. Sie versuchten, die Uiguren aussehen zu lassen wie die Leute von
Bin Laden. Überall gibt es den globalen Krieg gegen den Terrorismus. Also
sollte die chinesische Regierung eine internationale Untersuchung anstreben,
um beurteilen zu können, ob es wirkliche Terroristen sind oder nicht. Diese
Uiguren könnten niemals irgendwelche Anwälte engagieren, um sich gegen die
Anklagen zu verteidigen. Die chinesische Regierung würde sie foltern und sie
dazu bringen, Dinge zu gestehen, die sie nicht getan haben. Sogar die
Uiguren in Guantanamo wurden für unschuldig befunden. Wenn jene Uiguren
entsprechend internationaler Standards angeklagt würden, bin ich sicher,
dass sie für unschuldig befunden würden.
ETD: Was denken Sie über einen Boykott der Olympischen Spiele?
Rebiya Kadeer: Ich würde die Führer aus dem Westen dazu drängen, die
Menschenrechte und die Leiden von Menschen wie uns als Priorität vor die
Olympischen Spiele zu stellen. Ich bin sehr dankbar für die Position von
Kanzlerin Merkel, weil sie Menschenrechte und unser Leiden über Handel oder
die Olympischen Spiele setzt.
ETD: Was kann der Westen angesichts der Lage der Uiguren tun?
Rebiya Kadeer: Meine langfristige Hoffnung ist, dass die
internationale Gemeinschaft unsere Angelegenheit gleich behandelt wie die
der Tibeter. Was sie tun können, ist, Untersuchungsteams und Reporter zu
schicken, um herauszufinden, was mit uns geschieht. Die Nationen aus dem
Westen in ihrem bilateralen Dialog mit den Chinesen sollten sie drängen,
unsere Rechte zu respektieren. Führer aus dem Westen sollten uns auch
treffen, um ihre Besorgnis über unsere Situation auszudrücken, so dass wir
sie darüber instruieren können, was geschieht. Wir erwarten auch, dass die
Führer aus dem Westen die chinesischen Behörden drängen, mit uns über eine
friedliche Beilegung der Angelegenheit zu verhandeln. Es wäre wunderbar,
wenn die westlichen Länder Untersuchungsteams schicken könnten, um die
Gefängnisse und Exekutionskammern zu untersuchen, wie chinesische Behörden
foltern, töten und Menschen hinrichten. Es wäre gut, die Welt davon wissen
zu lassen.
http://www.epochtimes.de/articles/2008/04/29/275955.html
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