UN: Folter in China weit
verbreitet
Häftlinge werden mit Elektroschocks,
Verbrennungen und anderen Methoden
gequält. Sonderberichterstatter
Nowak fordert eine umfassende
Strafrechtsreform
 |
UN-Inspekteur Manfred Nowak
Foto: rtr |
Peking - Der Einsatz von Folter ist
in China nach Worten des zuständigen
Inspekteurs der Vereinten Nationen
„weit verbreitet“. Nach den ersten
Untersuchungen eines
UN-Sonderberichterstatters für
Folter in China überhaupt sagte der
Wiener Rechtsprofessor Manfred Nowak
vor Journalisten in Peking, es
hätten sich viele Vorwürfe von
Foltermethoden in China bestätigt.
Er sehe aber auch einen Rückgang vor
allem in städtischen Gebieten. Bei
seinen Gesprächen in China mit
Häftlingen, Opfern und Angehörigen
habe er aber eine „spürbare Angst
und Selbstzensur“ vorgefunden, wie
er es bei Untersuchungen in anderen
Ländern nicht kennen gelernt habe.
Nowak drängte Peking zu einer
umfassenden Strafrechtsreform.
Untersuchungen wurden ernsthaft
behindert
Dem
Besuch war ein fast zehnjähriges
Tauziehen um die Bedingungen
vorausgegangen. Dennoch kritisierte
Nowak „ernste Zwischenfälle der
Behinderung“ bei seiner Arbeit in
China durch die Staatssicherheit und
Polizeiorgane. Sie hätten ihn und
seine Mitarbeiter beschattet und
vertrauliche Gespräche mit Opfern
oder Familienmitgliedern abgehört.
Interviewpartner seien
eingeschüchtert, unter
Polizeibeobachtung gestellt oder
daran gehindert worden, ihn zu
treffen. Nach seinem Protest beim
Außenministerium sei die Überwachung
reduziert worden, aber nicht
eingestellt worden. Gespräche mit
Häftlingen seien sogar unter Hinweis
auf die Arbeitszeiten der Wächter
begrenzt worden, was in anderen
Ländern nicht üblich sei.
Folter bleibt in China weit
verbreitet

Wegen der Beschränkungen und der nur
zweiwöchigen Besuchsreise seien
seine Erkenntnisse nur begrenzt,
sagte Nowak. „Was das Ausmaß der
Folter angeht, würde ich einen
gewissen Rückgang bei den Vorwürfen
feststellen, doch bleibt die Folter
im Land weit verbreitet.“ Er zählte
eine lange Liste von Vorwürfen auf,
darunter Schläge, den Einsatz von
elektrischen Stöcken, das Quälen mit
brennenden Zigaretten, Prügel durch
Häftlinge auf Anweisung von
Wächtern, Untertauchen in Wasser
oder Abwasser, extreme Hitze und
Kälte. Er kritisierte, daß Gefangene
zwangsweise in schmerzhaften
Positionen gehalten werden, ihnen
der Schlaf entzogen werde, sie lange
in Einzelhaft steckten oder ihnen
medizinische Versorgung verweigert
werde. Nach der Reise könne er
bestätigen, „daß viele dieser
Foltermethoden in China angewandt
worden sind“.
Polizeibeamte unter Erfolgsdruck
Der
Folterinspekteur hatte Gefängnisse
und Umerziehungslager in Peking, in
Urumqi in der Nordwestregion
Xinjiang und der tibetischen
Hauptstadt Lhasa besucht. Er
bescheinigte China auch
Fortschritte. Das Problem der Folter
werde zunehmend von der Regierung in
Peking anerkannt. Maßnahmen seien
ergriffen und Vorschriften erlassen
worden. „Aber es gibt noch viel zu
tun.“ Häufig komme es kurz nach der
Festnahme von Verdächtigten zu
Folter, da Polizeibeamte unter Druck
ständen, ein Geständnis zu
produzieren. Scharf kritisierte
Nowak in China die Bestrafung für
„abweichendes Verhalten“ in
Umerziehungslagern, die unvereinbar
mit den Menschenrechten sei.
Unschuldige legen falsches
Geständnis ab
Auch in Gefängnissen gebe es
Umerziehungen, „die dazu dient, den
Willen der Gefangenen zu brechen und
ihre Persönlichkeit zu ändern“.
Unschuldig Verurteilte legten ein
falsches Geständnis ab, um ihre
Haftbedingungen zu verbessern und
eventuell früher entlassen zu
werden. Nowak forderte weit
reichende Reformen im Rechtswesen.
Anwälte müßten früher zu
Festgenommen gelassen werden,
Richter unabhängiger sein. Ein
wirksamer Beschwerdemechanismus
müsse aufgebaut werden.
Von
Folter sind laut Nowak insbesondere
politische Dissidenten,
Menschenrechtsaktivisten, Anhänger
der Meditationsbewegung Falun Gong
und andere religiöser Gruppen sowie
Tibeter und muslimische Uiguren
betroffen. Offiziell ist Folter in
China seit 1996 verboten. Juristen
und Menschenrechtsgruppen haben
jedoch stets geltend gemacht, daß
diese Praxis fortlebe. WELT.de
Artikel erschienen am Fr, 2.
Dezember 2005
|