Berlin (taz) - Um
Chinas Volksbefreiungsarmee ist es zu ihrem 72. Gründungstag an diesem Sonntag nicht gut
bestellt. Die Generalabteilung für politische Arbeit der Armee und der bewaffneten
Polizei sah sich diese Woche sogar genötigt, die Einheiten aufzufordern, Anhänger der
"staatsgefährdenden" Sekte Falun Gong aus den eigenen Reihen zu
"säubern" und "Fehlgeleitete" umzuerziehen. Wie viele
Armeeangehörige wegen "Beteiligung am Aberglauben" entlassen werden sollen, ist
unklar. Eine prompte Erfolgsmeldung berichtet von Offizieren in der nördlichen Provinz
Shanxi, die sich nach intensiver "Umerziehung" Falun-Gong-Abzeichen zum Schutz
des eigenen Lebens von der Brust entfernt hätten. Sie vertrauten nun wieder der
Wissenschaft, hieß es.
Der Ruf der Streitkräfte leidet auch
durch deren Geschäftemacherei und Korruption. Im Mai vergangenen Jahres hatte das ZK der
KP angeordnet, Armee und bewaffnete Polizei müßten ihre Betriebe an zivile Träger
übertragen. Offiziell war die Übergabe bereits zum Jahresende 1998 abgeschlossen. Doch
dieser Tage schrieb das Parteiorgan Volkszeitung, Armee und bewaffnete Polizei
hätten noch einen langen Weg vor sich, bis sie sich von ihren Betrieben getrennt hätten.
Es sei nun einmal nicht damit getan, wenn die Offiziere nur ihre Uniform ablegen würden,
um mit einem Schlag unabhängige Geschäftsleute zu werden. Die Verstrickungen der Armee
in Profitmacherei seien viel zu kompliziert, als daß sie über Nacht entworren werden
könnten.
Die Streitkräfte treten vor ihrem
Geburtstag in den amtlichen Medien erstaunlich leise auf. Die verbalen Drohgebärden der
Generäle, wie Verteidigungsminister Chi Haotian gegenüber Taiwan, erscheinen in nur
wenigen Armeeblättern. Dies gilt auch für die Berichte über kleine Manöver von
Reservisten an der Südküste. Anders als im vergangenen Jahr berichtet das
Staatsfernsehen nicht einmal mehr prominent über die zehntausend Soldaten und Offiziere,
die pausenlos die aufgeweichten Deiche des Jangtse "mit ihren eigenen Körpern
verteidigen".
Das Zentralfernsehen präsentierte nicht
einmal den Prunk blitzender Waffen, als Präsident Jiang Zemin kürzlich die Parade jener
Einheiten abschritt, die am 1. Oktober den 50. Nationalfeiertag mitzelebrieren sollen. Nur
die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua bringt jeden Tag eine Kurzmeldung mit
Zahlen. Die sollen zeigen, wie modern die einzelnen Waffengattungen - allen voran
Volksmarine und Luftwaffe - mittlerweile seien und wie die Armee das Vaterland mit
Waffengewalt verteidigen und - wenn nötig - vereinigen könne. Doch auch Xinhua
übt sich in Bescheidenheit. Vielleicht will man die peinliche Frage gar nicht erst
aufkommen lassen, warum die Großmacht China nicht einmal gegenüber den kleinen
Philippinen seine militärische Überlegenheit demonstriert. Manilas altersschwache Marine
hatte im Streit um die Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer kürzlich zweimal
chinesische Fischkutter versenkt.
Allein die marxistischen Linken in der KP
versuchen vergeblich, die Öffentlichkeit über die Gefahren zu informieren, die rund um
China lauern sollen: Die USA hätten bereits drei Flugzeugträger zusammengezogen, zwei in
Japan, einen bei den Philippinen; im Norden übten Südkoreaner, Japaner und Amerikaner
gemeinsam gegen Nord-Korea, derweil in der Südsee sechs asiatisch-pazifische See- und
Luftstreitkräfte ihre Kampffähigkeit unter Beweis stellten. Doch solche
Hiobsbotschaften, die das ultralinke Internet-Magazin China and the World mit Sitz
in den USA zu verbreiten sucht, dürften ihr Publikum in China zur Zeit kaum erreichen.
Denn wegen der Bekämpfung von Falun Gong sperrte die Regierung in diesen Tagen Millionen
E-Mail-Adressen in China.
So bleibt es ein Privileg für Chinesen in
Übersee, über die Volksbefreiungsarmee zu orakeln. Deren mediale Bescheidenheit führt
ein Internet-Diskutant darauf zurück, daß politische Führer wie Jiang Zemin die
Generäle heute viel besser kontrollierten. Das Hongkonger Blatt Singtao Ribao
konterte, daß Jiang der Armee mit dem Vorschlag entgegengekommen sei, daß wenigstens die
Reservistentruppen wieder das Recht bekommen sollen, sich mit eigenen Betrieben zu
finanzieren. Der Grund: die leere Staatskasse. Die Lücke von 150 Milliarden Yuan, die die
Armee bisher mit Einnahmen aus ihren Hotels, Fabriken und Videoverleihen überbrückte,
lasse sich eben nicht mit den popeligen 15 Milliarden Yuan wieder schließen, die
Ministerpräsident Zhu Rongji der Armee zusätzlich bereitgestellt habe.
Shi Ming
taz Nr. 5900 vom 31.7.1999 Seite 10
Ausland 140 Zeilen
TAZ-Bericht Shi Ming