Berlin (taz) - Die
Führung der Volksrepublik China hat gestern das Verbot der sektenartigen Kultbewegung
Falun Gong bekanntgegeben. Das Verbot per Dekret soll bereits am Montag von Staats- und
Parteichef Jiang Zemin angeordnet worden sein. Seitdem gehen die Behörden massiv gegen
Falun Gong vor, von deren landesweiter Organisation und Mobilisierungsfähigkeit sich die
Staats- und Parteiführung bedroht fühlt.
Es sei ein "ernster ideologischer und politischer Kampf", der
über die Zukunft von Partei und Staat entscheide, schrieb das Parteiorgan Volkszeitung.
Wer die "politische Natur" von Falun Gong nicht sehe, mache einen
historischen Fehler. Verboten wurden alle Aktivitäten, die Falun Gong unterstützen.
Untersagt wurde auch, die speziellen Atemübungen in Gruppen zu praktizieren. Alle
Mitglieder der Kommunistischen Partei wurden angewiesen, sich von Falun Gong loszusagen.
Zahlreiche Parteimitglieder einschließlich hoher Kader praktizierten bisher Falun Gong.
Trotz des landesweiten Verbots der Kultbewegung gingen gestern in
zahlreichen Städten die friedlichen und stillen Proteste von Falun-Gong-Anhängern
weiter. Das Hongkonger "Informationszentrum für Demokratie und Menschenrechte in
China" berichtete, mehrere tausend Anhänger hätten allein in Peking in der Nähe
des von Polizisten gesicherten Regierungsviertels Zhongnanhai Menschenketten gebildet.
Mehrere hundert Menschen seien umstellt und in Bussen weggefahren worden. Nach Angaben des
Zentrums seien unter den Verhafteten bisher 150 Führer von Falun Gong. Berichte sprechen
von bis zu 30.000 Menschen, die landesweit in mehreren Sportstadien interniert worden
seien.
Am Mittwoch sollen 30.000 Menschen in 30 Städten gegen die
Verhaftungen von 100 Führern der Bewegung demonstriert haben. Dabei wurden die ersten
2.000 Menschen in zwei Pekinger Stadien interniert. Wie viele inzwischen wieder
freigelassen wurden, ist unklar. Proteste gab es auch in Hongkong, Taiwan und den USA.
Falun Gong will nach eigenen Angaben 100 Millionen Anhänger haben, davon 80 Millionen in
China und damit 20 Millionen mehr, als dort die Kommunistische Partei Mitglieder hat. Die
Anhänger der Kultbewegung geben sich als unpolitisch. Doch ihre öffentlichen Proteste,
die größten seit der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989, haben die
Parteiführung alarmiert. Sie fürchtet, die Kontrolle zu verlieren, sollte sich die im
Stile einer traditionellen Geheimgesellschaft organisierte Sekte zu einer
Oppositionsbewegung entwickeln.
Sven Hansen
Bericht Seite 10, Kommentar Seite 12
taz Nr. 5893 vom 23.7.1999 Seite 1 Seite 1 81 Zeilen
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