Amnesty: Lynchjustiz in China
Von Johnny Erling Peking In Chinas vorwiegend von der nationalen Minderheit der Uiguren bewohnten autonomen Region Xinjiang (Sinkiang) wurden in den vergangenen Jahren "politische Häftlinge in großer Anzahl" hingerichtet. Diesen Vorwurf erhebt die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International (ai) in einem Bericht, den sie am Dienstag veröffentlichte. Amnesty beschuldigt darin China "schwerer und systematisch begangener Menschenrechtsverletzungen". Auf 92 Seiten dokumentiert ai 200 Fälle von politischen Häftlingen mit Fotos. Sie gehören zu den Tausenden, die in den 90er Jahren verhaftet worden waren. Ebenfalls dokumentiert sind 210 seit Januar 1997 vorwiegend gegen Uiguren verhängte Todesurteile, von denen 190 vollstreckt wurden. Die Organisation berichtet weiterhin über Todesfälle durch die Haftbedingungen und von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen. Zeugenaussagen stützen den Vorwurf systematischer Folterungen. In der an Afghanistan, Pakistan, die Mongolei und die GUS grenzenden riesigen Nordwestregion Xinjiang leben nur 17 Millionen Einwohner, von denen 47 Prozent turksprachige Uiguren sind. Die Zuwanderung hat seit 1949 den Anteil der Chinesen auf 42 Prozent steigen lassen. Seit Jahrzehnten kämpfen dort Separatisten und islamische Extremisten für ein unabhängiges "Ostturkestan". Auf die sich seit 1996 auch in Bombenattentaten äußernde Unruhe in der Provinz antwortete China mit einer Kampagne gegen die Separatisten. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung rechtfertige aber nicht Chinas brutale Repressionen, Folterungen und Exekutionen, schreibt ai. Peking weist Kritik an seiner Xinjiang- und Tibetpolitik als "Einmischung" zurück und hat gerade mit Ankara vereinbart, gemeinsam gegen von der Türkei aus operierende moslemische Separatisten vorzugehen. © DIE WELT, 21.4.1999 |