Clinton traf Jiang Zemin
< 27.06.98, 15.56 FOCUS >


Als "Partner, nicht Gegner" haben sich China und die USA darauf geeinigt, ihre Atomraketen nicht mehr aufeinander zu richten. US-Präsident Bill Clinton und Chinas Staats- und Parteichef Jiang Zemin unterstrichen auf ihrem Gipfeltreffen am Samstag in Peking trotz starker Differenzen in der Menschenrechtspolitik ihren Willen zu einer strategischen Partnerschaft.

Beide Präsidenten lieferten sich auf einer Pressekonferenz einen leidenschaftlichen Austausch über die Menschenrechte, ohne daß es eine Annäherung gab. Jiang Zemin verteidigte die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989: "Hätte die chinesische Regierung damals nicht entschiedene Maßnahmen ergriffen, hätten wir nicht die Stabilität, die wir heute genießen."

Clinton entgegnete: "Wir glauben, daß der Einsatz von Gewalt und der tragische Verlust von Menschenleben falsch waren." Er forderte China auf, seinen Bürgern mehr politische Freiheiten zu geben. Sein Empfang mit militärischen Ehren am Osttor der Großen Halle des Volkes am Rande des Tiananmen-Platzes, dem Schauplatz des Militäreinsatzes von 1989, stieß allerdings auf heftige Kritik.

Die prominente Professorin Ding Zilin, deren 17jähriger Sohn damals getötet wurde, sagte: "Der rote Teppich ist gefärbt vom Blut der damals Getöteten. ..Jeder Schritt, den er (Clinton) auf dem roten Teppich gemacht hat, sollte sehr schwer gewesen sein." Der Bürgerrechtler Xu Wenli erinnerte Clinton an seine Verantwortung, demokratische Ideale und die Menschenrechte zu schützen.

Clinton forderte Jiang Zemin zu einem Dialog mit dem Dalai Lama auf, dem geistlichen und weltlichen Oberhaupt der Tibeter. Jiang Zemin bekräftigte: "Die Tür für einen Dialog ist offen" - solange der Dalai Lama anerkenne, daß Tibet ein Teil Chinas sei. Er bestätigte erstmals, daß es Kommunikation über mehrere Kanäle mit dem Dalai Lama gebe, ließ aber kein Entgegenkommen erkennen.

Die Pressekonferenz wurde in ungewöhnlicher Offenheit live im staatlichen Fernsehen und Radio übertragen. Jiang Zemin verteidigte dabei auch die Festnahmen von Dissidenten während des Besuches damit, daß Behörden gegen "jede gesetzwidrige Aktivität vorgehen müssen". Clinton forderte die Freilassung politischer Gefangener. Beide Seiten lobten die Offenheit, mit der Differenzen angesprochen werden.

Bei den Nuklearraketen hatten es die Chinesen bisher abgelehnt, die Zielautomatik ihrer Raketen zu ändern, solange die USA nicht auf ihre Doktrin eines atomaren Erstschlags verzichteten. Eine Änderung kann in relativ kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht werden. Sie verringert jedoch die Gefahr irrtümlicher Raketenangriffe und wird von Clinton als wichtige vertrauensbildende Maßnahme betrachtet. Nach US-Berichten sind 13 chinesische Raketen auf US-Ziele gerichtet.