Mißklänge bei Clintons China-Besuch

< 27. 06 . 98 Focus >


Inmitten einer Kontroverse über die Festnahme von Dissidenten ist US-Präsident Bill Clinton in Peking eingetroffen. Die US-Regierung protestierte am Freitag förmlich und scharf gegen die Festnahmen, die Clinton als nicht hinnehmbar ansieht. Die chinesische Regierung bestritt dagegen "Verhaftungen" und wies jede Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zurück. Drei der Festgenommenen wurden kurze Zeit später wieder auf freien Fuß gesetzt. Das Schicksal von zwei anderen festgenommenen Dissidenten bleib jedoch zunächst unklar.

Jiang Zemin wird Clinton am Samstag offiziell am Osttor der Großen Halle des Volkes am Rande des Tian'anmen-Platzes mit militärischen Ehren empfangen. Die Zeremonie ist umstritten, da es der Schauplatz der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 ist. Bürgerrechtler und Angehörige der Opfer des Massakers sowie US- Abgeordnete hatten Clinton deswegen scharf kritisiert.

Der US-Präsident betrachtet den Empfang als Protokollsache. Er will in seinen Gesprächen mit Jiang Zemin und Ministerpräsident Zhu Rongji vorrangig eine Verbesserung der Menschenrechte und Ziele der Abrüstung ansprechen. Auf der ersten Station seiner zehntägigen China-Reise besuchte Clinton am Freitag nahe der alten Kaiserstadt Xian das Dorf Xiahe und die weltberühmten Ausgrabungen der Terrakotta-Armee aus der Qin-Dynastie vor mehr als 2 000 Jahren.

Clinton äußerte sich "beunruhigt" über die Berichte von den Festnahmen: "Wenn sie zutreffen, zeigen sie China nicht im besten Licht - rückwärts statt vorwärts blickend." Nach Angaben des Informationszentrums für Demokratie und Menschenrechte in Hongkong waren drei Dissidenten in und nahe Xians festgenommen worden, ein weiterer in Guilin. Auch ein katholischer Bischof sei festgenommen worden, berichtete die Kardinal Kung-Stiftung aus den USA.