Berlin (taz) - Der am vergangen Freitag in New York verhaftete mutmaßliche Organhändler Cheng Yong Wang bleibt in Haft. Das gab am Mittwoch abend die Staatswaltschaft in Manhattan bekannt. Bei Wang gefundene Papiere weisen den 41jährigen Chinesen als ehemaligen Staatsanwalt der südchinesischen Inselprovinz Hainan aus. Einem als Leiter einer Dialyseklinik getarnten FBI- Agenten soll Wang zusammen mit einem chinesischen Komplizen Organe von in China hingerichteten Gefangenen angeboten haben. Ein paar Augenhornhäute sollten 5.000 US-Dollar kosten. Des weiteren sollen sie Lebern, Nieren, Lungen, Bauchspeicheldrüsen und Häute angeboten haben. Der Haftbefehl wurde mit Fluchtgefahr begründet, da Wang in den USA arbeitslos sei und in China Frau und Kind habe.
Wangs Anwalt Oliver Smith sagte, seinem Mandanten sei vom Dissidenten Harry Wu eine Falle gestellt worden. Dieser verfolge eigene Ziele gegen die chinesische Regierung. Laut Smith gebe es keine Beweise, daß der Verkauf von Organen stattgefunden habe oder daß Wang überhaupt die Fähigkeiten dazu besitze. Die Anklage wirft nach einem Bericht der Los Angeles Times Wang vor, zwei Verträge unterzeichnet zu haben, in denen er sich beim Organhandel zur Koordination chinesischer Regierungstellen und Krankenhäuser verpflichte und dafür 25 Prozent Provision kassiere.
Das US-Außenministerium bat inzwischen die Regierung in Peking um Aufklärung. Außenamtssprecher James Rubin erklärte am Mittwoch, es handele sich um sehr schwerwiegende Vorwürfe. Am Dienstag hatte die chinesische Regierung erklärt, es gebe keinen derartigen Organhandel. Dieser sei außerdem illegal.
Der in den USA lebende chinesische Dissident Harry Wu sagte, er habe das FBI auf die Spur der beiden Chinesen gebracht. Er selbst sei von einer Klinik auf Wang aufmerksam gemacht worden und habe das Treffen mit ihm am 13. Februar heimlich gefilmt. Gegenüber AFP sagte Wu, Wang habe über menschliche Organe "wie ein Metzger auf dem Fleischmarkt" geredet und ausgiebig über die Exekutionsmethoden in China berichtet.
Zur Rechtmäßigkeit habe Wang gesagt: "Kein Problem, denn die zum Tode Verurteilten haben keine politischen Rechte. Wir können ihre Familien leicht dazu bringen, ein entsprechendes Papier zu unterzeichnen."
Laut Wu sei der Fall "nur die Spitze eines Eisberges". Wangs Komplize Xingqui Fu war am Montag gegen eine Kaution von 100.000 US-Dollar freigelassen worden.
TAZ Nr. 5469 vom 27.02.1998 Seite 11 Ausland 80 Zeilen
TAZ-Bericht Sven Hansen