Hunderte Tote in China?
Berichte über Massaker in Xinjiang - Polizei widerspricht - Ausgangssperre
DW Istanbul/Peking - Bei den Unruhen in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas sind nach Angaben einer Exilorganisation Hunderte Moslems getötet worden. Die Ostturkestanische Vereinigung erklärte gestern in Istanbul, Moslems seien in der Stadt Yining daran gehindert worden, in den Moscheen zu beten. Sicherheitskräfte hätten in die Menge geschossen und Hunderte getötet. Tausende seien festgenommen worden. Den Angaben der in der Türkei ansässigen Turk-Organisation zufolge ereignete sich der Vorfall am Samstag.
Die Polizei in Yining widersprach diesen Darstellungen. Nach Angaben von Polizeisprecher Ma Shigiang habe es sich bei dem Vorfall lediglich um eine Demonstration von 200 Mitgliedern einer illegalen moslemischen Sekte gehandelt. Die Demonstration sei von der Polizei aufgelöst worden.
Nach Berichten von Einwohnern Yinings hatten sich am vergangenen Mittwoch Unruhen ereignet, wobei es mindestens zehn Tote gegeben habe. Auch gestern war die Lage noch nicht völlig unter Kontrolle der Sicherheitsbehörden.
Die Han-Chinesen fürchteten um ihr Leben, nachdem Uiguren zuvor mit Messern Jagd auf sie gemacht hatten. Die Polizei verhängte eine nächtliche Ausgangssperre und errichtete Straßensperren. In kleineren Gassen kam es weiter zu Ausschreitungen junger moslemischer Uiguren, die mit Unterstützung von Exilgruppen im benachbarten Kasachstan die Unabhängigkeit anstreben. Restaurants und Geschäfte waren geschlossen, Taxis und öffentlichen Busse fuhren nicht. Han-Chinesen trauten sich nicht aus dem Haus. "Ich habe Angst. Ich gehe nicht raus und schlafe lieber hier bei meiner Arbeitseinheit", hieß es. Bis Sonntag sei die Stadt abgeriegelt gewesen. "Niemand kam herein, niemand kam heraus."
Auch in anderen Städten der autonomen Region Xinjiang ist die Lage gespannt. In der Hauptstadt Urumqi, in Kashgar und Aksu verstärkte die Polizei ihre Patrouillen. Die Unruhen in Yining gehörten zu den schwersten seit 1949. Mehr als 100 Menschen seien verletzt worden, berichtete die Hongkonger Zeitung "Ming Pao".
Copyright: DIE WELT, 12.2.1997