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« Freiheit auf Chinesisch » 

von Christiane Kühl, Peking

Chinas Regime verschärft die Zensur. Die kommunistischen Kader fürchten den Machtverlust. Das harte Vorgehen gegen Zeitungen und Internetbetreiber schürt die Spannungen mit den USA.

Vor der Google-Zentrale in Kalifornien protestieren Studenten gegen eine Zensur der Suchmaschine Google in China
 Vor der Google-Zentrale in Kalifornien protestieren Studenten gegen eine Zensur der Suchmaschine Google in China

Die junge Pekinger Sekretärin Ning Aiping staunt: "Was, nicht jeder in Taiwan möchte die Wiedervereinigung?" Ning liest Zeitung, und dort steht, was die Regierung ihren Bürgern an Wissen über politische Themen zukommen lassen will. Dass Millionen Taiwanesen jene Partei unterstützen, welche die Unabhängigkeit der von China beanspruchten Insel anstrebt, gehört nicht dazu.

Chinas Regierung unter Präsident Hu Jintao hält trotz zunehmender Kommerzialisierung der Medien unbeirrt an strikter Kontrolle fest. Gerade im vergangenen Jahr erhöhte sie noch einmal den Druck: mehr Verbote, mehr geschasste Chefredakteure zur Abschreckung anderer. "Die Widersprüche in der Gesellschaft verunsichern die Führung", sagt Joseph Cheng, Politologe an der City University of Hong Kong. Das treibe sie zu immer schärferer Zensur.

Schnell wachsende Zahl der Internetnutzer

Doch Missstände zu verbergen wird immer schwieriger. Anders als bei außenpolitischen Themen ohne Bezug zur Lebenswirklichkeit bekommen die Menschen Probleme wie die wachsende Schere zwischen Arm und Reich oder Korruption im Alltag mit. Zugleich wächst die Zahl der Internetnutzer rapide. 100 Millionen Chinesen sind bereits im Netz, jeden Tag kommen 20.000 Nutzer dazu.

Zwar gelten Chinas Firewalls als die effizientesten weltweit. So blocken die Behörden zum Beispiel die Websites der britischen Rundfunkgesellschaft BBC und der "Stimme Amerikas". Und erst am Mittwoch worden 137 Internetseitenbetreiber gezwungen, ausländische Magazin- und Zeitungstexte von den Sites zu entfernen. Trotzdem können sie nicht alles filtern.

Zeitungen testen ihre Grenzen

Zugleich testen die Zeitungen ihre Grenzen. "Sie fordern die Regierung nicht direkt heraus, aber sind begierig, die dunklen Seiten der Gesellschaft darzustellen, wie Machtmissbrauch oder Inkompetenz von Beamten", sagt Cheng.

Die Wirtschaftszeitschrift "Caijing" wurde berühmt durch Artikel über illegale Machenschaften an Chinas Aktienmärkten. Lokale Journalisten deckten Korruptionsskandale oder Minenunglücke auf. Der Trick: Sie berichteten über Vorfälle an anderen Orten.

Doch genau dies habe Peking nun durch neue Regeln eingeschränkt, sagt Cheng. Peking verbot 2005 zudem Texte von und über "öffentliche Intellektuelle" - Wissenschaftler, die zuvor in Zeitungen zu politischen Themen Stellung bezogen hatten.

In Peking schlugen die Zensoren in den letzten Wochen zweimal zu. Ende Januar schlossen sie die für Korruptionsberichte bekannte Wochenbeilage der "Chinesischen Jugendzeitung", dem Organ der KP-Jugendliga. Vor wenigen Monaten noch hatte Chefredakteur Li Datong Pläne der Verleger gekippt, Journalisten Boni für Lobpreisungen durch Parteifunktionäre zu zahlen.

Ende 2005 feuerten die Propagandazaren den Chefredakteur der "Pekinger Nachrichten", die unter anderem über Tote bei Bauernprotesten berichtet hatten. Die Redaktion streikte.

Yahoo lieferte Daten über Cyberdissidenten

Danach schloss Microsoft auf Anweisung der Regierung einen Blog mit Berichten über den Ausstand - ein Grund, warum das Unternehmen nun zur Anhörung im US-Kongress zitiert wurde. Konkurrent Yahoo lieferte sogar Daten über zwei Cyberdissidenten aus. Einer davon, der Reporter Shi Tao, wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Chinas Regeln zu Staatsgeheimnissen brachten auch Zhao Yan, Assistent der "New York Times", hinter Gitter.

Zeitungen hätten die Aufgabe "dem Aufbau der geistigen sozialistischen Gesellschaft" zu dienen, sagte kürzlich Cai Wu, Direktor des Informationsamts der Regierung.

Doch die harte Linie wird selbst manchem Parteiveteranen zu viel. 13 Altfunktionäre kritisieren die Zensur und warnten vor sozialen Unruhen, falls dem Volk weiterhin freie Meinungsäußerung versagt bliebe. "Die Geschichte zeigt, dass nur totalitäre Systeme eine Zensur der Nachrichten brauchen, da sie fälschlicherweise glauben, die Öffentlichkeit im Dunkeln halten zu können", so die Unterzeichner - darunter Ex-Propagandachef Zhu Houze.

Aus der FTD vom 16.02.2006
© 2006 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP


© ETIC © Uygur.Org  26.01.2008 12:27   Published By A. Karakash