"Die Todesstrafe wird
besonders häufig gegen
Uiguren verhängt", klagt
Dilxat Rexit, Sprecher des
Uigurischen Weltkongresses
in München. Die Uiguren sind
eine Minderheit muslimischen
Glaubens und leben in
Xinjiang in Nordwestchina.
Die Region gilt als
ethnischer Konfliktherd.
Die Kommunisten hatten
sich das Gebiet nach ihrer
Machtübernahme 1949 in
Peking einverleibt, seither
kämpfen die Uiguren gegen
die Fremdherrschaft und für
die Wiederherstellung ihrer
Republik Ostturkestan. "Die
Behörden setzten jeden
Ausdruck von Unzufriedenheit
mit der Politik Pekings mit
'Separatismus' gleich, einem
Verbrechen gegen die
Staatssicherheit, bei dem
die Todesstrafe droht",
erklärt Brad Adams, Leiter
der Asien-Abteilung von
"Human Rights Watch".
Knapp sechs Dutzend
Gründe
Mittlerweile können 68
Vergehen in China mit der
Todesstrafe geahndet werden,
darunter keineswegs nur
grausame Gewaltverbrechen.
Korruption,
Steuerhinterziehung,
Spionage, Menschenhandel
oder der Besitz von größeren
Mengen Drogen genügen der
chinesischen Justiz, um den
Genickschuss oder den Tod
durch die Giftspritze zu
fordern. Bei 19 der
Strafrechtsbestände handelt
es sich um reine
Wirtschaftsdelikte.
Nach Berichten
staatlicher chinesischer
Medien beläuft sich der
Schaden, der jährlich durch
Korruption verursacht wurde,
auf etwa ein Prozent des
Bruttoinlandsprodukts.
Chinas Spitzenpolitiker
sehen dadurch bereits "die
soziale Stabilität bedroht".
Für sie Grund genug,
Korruption und
Unterschlagung weiterhin mit
Hinrichtung zu bestrafen.
Viele chinesische
Justizexperten lehnen es
zwar ab, Wirtschaftsdelikte
mit der Todesstrafe zu
ahnden, das ficht die
politische Führung Chinas
aber nicht an.
"Hart
durchgreifen"
China hat bereits vor
mehr als 20 Jahren, 1983,
eine landesweite Kampagne
mit dem Namen "Hart
durchgreifen" ins Leben
gerufen, die in den
Folgejahren immer wieder
verschärft wurde.
Offizielles Ziel der
Kampagne: die Garantie der
sozialen Stabilität. "Es ist
eigentlich paradox, dass die
chinesische Regierung
einerseits ein friedliches
China-Bild propagiert,
anderseits die soziale
Stabilität nur mit Gewalt
wahren kann", sagt Hu Ping,
Menschenrechtsaktivistin und
Buchautorin.
Ende der 1990er Jahre
wurde eine Verschärfung der
Kampagne "Hart durchgreifen"
angekündigt. "Im Zuge der
politischen Kampagne werden
zahlreiche Todesurteile im
Eilverfahren ausgesprochen,
weil Polizei und Justiz ihre
hohe Arbeitseffizienz
beweisen sollen. Dabei
nehmen sie die Hinrichtungen
von Unschuldigen billigend
in Kauf", sagt Hu Ping.
Amnesty International
berichtet immer wieder von
Hinrichtungen Schwangerer
und Minderjähriger.
Mindestens 3400 Menschen
wurden 2004 in China
hingerichtet - mehr als
irgendwo sonst auf der Welt.
Die Zahl hat amnesty
international eigenen
Angaben zufolge auf
Grundlage von
Internetberichten über
Hinrichtungen berechnet. Die
tatsächliche Zahl dürfte
wesentlich höher liegen.
Offizielle chinesische
Statistiken unterliegen
strengster Geheimhaltung.
Bevölkerung zufrieden
Der Großteil der
chinesischen Bevölkerung ist
jedoch mit der politischen
Kampagne zufrieden. Nach
einer Umfrage sind über 80
Prozent der Chinesen
dagegen, die Todesstrafe in
China abzuschaffen. Das
wundert Hu Ping nicht: "
Obwohl der
Abschreckungseffekt von
Hinrichtungen seit langem
umstritten ist, sind sie
aber immer noch einfacher
und billiger als
beispielweise langjährige
Gefängnisstrafen. Die
Menschen glauben an das
Konzept von 'Auge um Auge,
Zahn um Zahn'."
Ständiger Druck der
internationalen
Organisationen hat jedoch
etwas bewegt: Im März 2004
Jahres setzten sich
Delegierte des Nationalen
Volkskongresses erstmals
dafür ein, alle Todesurteile
vom Obersten Gerichtshof
überprüfen zu lassen.
Geschehen ist bislang aber
noch nichts.
Auch Hu Ping zweifelt
daran, dass sich in der
näheren Zukunft große
Fortschritte ergeben
könnten: "Solange es kein
selbständiges Justizsystem
gibt, solange sich das
gesellschaftliche Klima
nicht stark ändert, werden
die Kriminalfälle und damit
auch die Hinrichtungszahl in
China nicht deutlich sinken.
"