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Vereint durch das Böse


Die USA und China wollen zusammen den Terror bekämpfen, aber die alten Konflikte bleiben sichtbar 

Von Kai Strittmatter

Schanghai – Der amerikanische Präsident George W. Bush hat China am Freitag dafür gedankt, dass es „Seite an Seite“ mit den USA gegen die „böse Macht“ des internationalen Terrorismus kämpfe. Er bestätigte, dass die Geheimdienste beider Länder schon zu diesem Zwecke kooperierten. Bushs chinesischer Kollege Jiang Zemin bekräftigte, es herrsche zwischen Peking und Washington „Übereinstimmung“ in der Ablehnung jeder Form von Terror. Das erste Treffen der Präsidenten in Schanghai war vorläufiger Höhepunkt einer erstaunlichen Wiederannäherung der zwei Nationen nach den Anschlägen vom 11. September. 
Bush pries die Reaktion der chinesischen Führer: „Es gab kein Zögern und keinen Zweifel, dass sie hinter den Vereinigten Staaten und ihrer Bürger stehen würden in diesen schrecklichen Zeiten.“ Es ist der erste China-Besuch des US-Präsidenten und seine erste Auslandsreise seit den Anschlägen. Bush nimmt an dem Apec-Gipfel der asiatisch-pazifischen Staaten teil. Er nutzt die Anwesenheit von 21 Staatsoberhäuptern der Region, um über das Wochenende für seine Koalition gegen den Terror zu werben. 
Das Tauwetter in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen ist deshalb so überraschend, weil diese noch vor sechs Monaten – nach der Spionageflugzeug- Affäre – auf dem tiefsten Punkt seit Jahren dümpelten. Doch auch durch die entspannte Atmosphäre vom Freitag schimmerten die alten Konfliktpunkte durch. So mahnte Bush seinen neugefundenen „wichtigen Partner“ China, der Kampf gegen den Terror dürfe „keine Ausrede für die Unterdrückung von Minderheiten“ sein – eine Anspielung auf Pekings hartes Vorgehen in der von muslimischen Uiguren bewohnten Westprovinz Xinjiang. Auch erwähnte er die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen und Raketentechnologie, die es zu bekämpfen gelte. Nach US-Berichten treibt China seit Jahren regen Waffenhandel mit Staaten wie Pakistan, dem Irak und Iran. 
Auch Präsident Jiang deutete Differenzen an. So drängte er, jedes militärische Vorgehen der USA müsse auf „klar definierte Ziele“ beschränkt bleiben, zudem sollten die UN eine zentrale Rolle spielen, in deren Sicherheitsrat China sitzt. Wichtigstes Anliegen Jiangs war jedoch die Taiwan-Frage, die „korrekt behandelt“ werden müsse. Bush hat Peking hier nach seinem Amtsantritt doppelt erzürnt: Erst segnete der US-Präsident den Verkauf eines großen Waffenpakets an Taiwan ab, dann sagte er, die USA würden tun, „was auch immer nötig ist“, um die Insel zu verteidigen. Taiwan ist seit Ende des chinesischen Bürgerkriegs 1949 de facto ein eigener Staat, Peking strebt jedoch die schnelle Wiedervereinigung an und verlangt von anderen Nationen eine „Ein-China-Politik“. 
Wie heikel die Taiwan-Frage ist, zeigte sich am Freitag: Taipeh erklärte seinen Boykott der Apec-Staatsführer-Sitzungen am Wochenende. Taiwan ist als „Wirtschaft“, nicht als Staat, Apec-Mitglied. Nach einem Streit zwischen Taipeh und Peking um den richtigen Repräsentanten erklärte Taiwans Präsident Chen Shui-bian gestern, sein Land werde nicht teilnehmen: „Wir können nicht erlauben, dass auf unserer Würde herumgetrampelt wird“. Taipeh sagt, China habe nie eine Einladung dem Protokoll entsprechend übergeben; Peking war mit dem von Taiwan vorgeschlagenen Delegationsleiter nicht einverstanden.

Samstag, 20.10. 2001 – Süddeutsche Zeitung - Druckausgabe