|
Eine »Inspektionsreise« des nun alles beherrschenden Parteichefs Deng Xiaoping im Jahre 1981 resultierte in einer reformpolitischen Lockerung. Die Partei- und Staatsführung wurde abgesetzt, der 1975
gestürzte Wang Enmao übernahm im Sommer 1981 seine alten Posten wieder und rief sofort zur Zusammenarbeit statt Konfrontation zwischen den Völkern der Region auf, ohneindes einen Zweifel an der chinesischen
Herrschaft aufkommen zu lassen. Ökonomische Reformen gestatteten im Juni 1979 den Bauern in Xinjiang wieder größere Initiative. So wurde laut Beschluß des Provinz-Parteikomitees »Züchtern« (worunter in der
Viehwirtschaft Tätige zu verstehen sind) der private Besitz von drei Kühen, zwei Pferden und 15 Schafen erlaubt; Ackerbautreibenden wurden zwei Kühe, ein Pferd, acht Schafe und drei Esel zugestanden; Arbeiter auf
Staatsfarmen hingegen durften nur eine Kuh und zwei bis drei Schafe haben. Im wesentlichen blieb die chinesische Politik aber auch in der Reformphase auf die Erschließung der Rohstoffe gerichtet. »Tibet, Qinghai,
Xinjiang — das sind rohstoffreiche Gebiete, die sich aber aus vielen Gründen nicht für die volle und umfassende Entwicklung aller Branchen und Sektoren eignen«, sagte der alte chinesische Soziologe Fei Xiaotong im
Sommer 1988 dem Verfasser. »Die Westgebiete sind Minderheitengebiete mit anderen Traditionen, Sprachen und Gewohnheiten. Die fünf Hauptthemen bei der Entwicklung des Fernen Westens sind: Erstens Fragen der
Energieproduktion; zweitens Fragen des Energieeinsatzes; drittens Fragen der Bevölkerungsbewegung; viertens die Mobilisierung von dreißig Millionen Menschen, um sie über tausend Meilen zu bewegen; fünftens Erziehung und
(Aus-)Bildung.« »Minderheitengebiete« wie Xinjiang — Gebiete, die der Tradition und der Geschichte nach Wohngebiete anderer Völker als der Han waren und andere Wirtschaftsweisen (Nomaden-Viehwirtschaft und
Oasen-Bewässerungs!andbau) entwickelt hatten — sind demnach erstens Zielgebiete Han-chinesischer Ansiedlung, zweitens Rohstoff- und Energielieferanten und erst drittens für eigene Entwicklungsprojekte nach eigenem
Bedarf vorgesehen. Die Reformpolitik ließ andererseits den Sonntagsmarkt von Kaschgar, den größten Wochenmarkt Zentralasiens, im Sommer 1981 nach fünfzehnjährigem Verbot wiedererstehen: Dort lebten schon zwei Jahre nach
der Wiederzulassung 11.000 Personen ausschließlich vom privaten Handel. Sehr lebhaft entwickelte sich der kleine Handel mit dem südlich benachbarten Pakistan, vor allem seit der Eröffnung der »südlichen Seidenstraße«
über den Khunjerap-Paß nach Pakistan im Mai 1986. Uigurisehe Kaufleute brachten auch den gesamten halblegalen Geldtauschverkehr (Inlandswährung gegen Devisen-Zertifikate) in der Volksrepublik unter ihre Kontrolle.
1982 wurde in Xinjiang ein Fernsehprogramm in uigurischer Sprache eingeführt, das sich anfangs, tageweise wechselnd, den einzigen Kanal mit dem chinesischsprachigen Programm aus Peking teilte, 1983 aber einen eigenen
Kanal erhielt. Anfang 1984 wurden schon 40% der Bevölkerung erreicht. Die einzelnen Relaissender — an die 200 — mußten in der ersten Zeit mit Video-bändern aus Ürümqi beliefert werden, das seinerseits ebenfalls nur über
Videobänder vom Zentralen Fernsehen beliefert wurde, so daß Nachrichtensendungen mit mindestens viertägiger Verspätung ausgestrahlt werden konnten. 1986 wurde auf zunächst experimenteller Basis eine Satellitenverbindung
geschaffen (der Satellit stammte aus chinesischer Produktion, die Technik von Intelsat). Der Sender wurde rasch ausgebaut, unter anderem auch ein zweites Pekinger Programm zeitgleich übernommen und die aktuelle
Ausstrahlung von Programmen auch in anderen Minderheitensprachen ermöglicht. |