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Zur Zeit der Westlichen Han hatte sich in der Region um Dunhuang und in Xinjiang zunächst der Nomadenstaat der wohl indoeuropäischen (später in Afghanistan siedelnden) Yuezhi-Stammesföderation befunden;
diese wurden um 150 v.d.Zw. von den turksprachigen Xiongnu verdrängt, die ihrerseits die Saken nach Baktrien verdrängten. Gegen die in der Mongole nomadisierenden Xiongnu (wahrscheinlich mit den Hunnen der
westeuropäischen Geschichte identisch; von der neueren Forschung wird diese Identität jedoch in Frage gestellt) hatten schon die nördlichen chinesischen Teilreiche Mauern errichtet, die später Qin-Kaiser Qin Shi Huangdi
(221 — 210 v.d.Zw.) zu einem geschlossenen System zusammenfügen ließ. Der hunnische Staat bestand bis etwa 25 n.d.Zw. und beherrschte von 204 v.d.Zw. bis 43 v.d.Zw. das heutige Xinjiang. Er befand sich in ständiger
Konfrontation mit den angrenzenden chinesischen Staaten und später dem Staat der Qin und Han. Die staatliche Ordnung näherte sich chinesischen Vorbildern an. In der Zeit der Östlichen Han, wie schon eine längere Zeit
zuvor, strömten chinesische Gelehrte und Beamte westwärts, oft auf der Flucht vor den Wirren in der Zeit des Untergangs der Qin-Herrschaft, aber auch schon vor der Verfolgung durch die Legalisten. Der Legalist Li Si
(280 — 208 v.d.Zw.) war in Qin und in der Qin-Dynastie Kanzler; auf ihn geht die Standardisierung der Schrift, aber auch die »Bücherverbrennung« des Jahres 213 zurück. In den von Xiongnu beherrschten Gebieten bauten
chinesische Intellektuelle eine effektive Verwaltung in einem Reich auf, das um die zwei Millionen Menschen umfaßte, was etwa 8% der Bevölkerung des Han-Staates entsprach. Militär-technisch waren die Reiterheere der
Xiongnu mit ihren Reflexbögen den QinHeeren überlegen, zahlenmäßig ihnen aber nicht auf Dauer gewachsen. Im Jahre 200 gelang es Xiongnu-Truppen, Liu Bang, den Gründer der HanDynastie, in Pingcheng, dem heutigen Datong,
acht Tage lang festzusetzen, die Flucht gelang Liu Bang nur durch Zufall. Danach strebten die Han-Kalser zunächst einen Zustand friedlicher Koexistenz mit den Xiongnu an, den sie sich durch Lieferungen von Seide und
Getreide an der Westgrenze erkauften; noch 200 Jahre später bestand ein ähnliches Verhältnis zu den »Steppenvölkern« im Norden. Das Han-Reich lieferte an die »Steppenvölker« in den Jahren: 51 v.d.Zw. 8.000 Ballen, 33
v.d.Zw. 18.000 Ballen, 25 v.d.Zw. 20.000 Ballen, 1 v.d.Zw. 30.000 Ballen. Das Xiongnu-Reich gab aber die Vorstellung, das Han-Reich unterwerfen zu können, zunächst nicht auf. Andererseits betrieb es — durch Vermittlung
der Parther — Fernhandel, durch den Seide erstmals in den Westen (Hellas) gelangte. Erst der shanyu (Herrscher) Maodun (174 — 109 v.d.Zw.), der bedeutendste Xiongnu-Herrscher, wandte sich endgültig von der Vorstellung
ab, er könne China unterwerfen, und bemühte sich um die Festigung seiner Herrschaft über die heutige Mongolei und Nord-Xinjiang, entschied sich also für nationale statt imperiale Politik. Maodun und sein Sohn und
Nachfolger Laoshang besiegten die Yuezhi endgültig und jagten sie über den Pamir nach Baktrien (in chinesischen Quellen Daxia), wo sie bald seßhaft wurden, nachdem sie die graeko-baktrischen Heere am Jaxartes (Syr
Darja) besiegt hatten. Zeitgenössische Quellen legen nahe, die Identität der Yuezhi chinesischer Quellen nicht nur mit den Kuschanen indischer Texte — einem eigenen Stammesverband innerhalb der Yuezhi-Föderation —,
sondern auch mit den Tocharern zu vermuten, von denen sich Reste südlich des Tianshan noch jahrhundertelang gehalten haben. (Neuerdings ist dieser Zusammenhang umstritten: Es wird auch ein Zusammenhang mit den Wusun
vermutet; doch mögen die beiden Namen Stammes-Konföderationen bezeichnen, die ihrerseits unter tocharischer Führung standen.) |