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Die natürlichen Gegebenheiten haben einen dauerhaften Widerstreit zwischen
Sesshaften und Ziehenden, Eingesessenen und Eroberern erzeugt. In den großen Oasen, die oftmals über längere historische Perioden in
Bünden und Föderationen vereinigt waren, entstanden Kulturzentren von häufig
großer Bedeutung. Seit den Reisen der ersten neuzeitlichen Europäer, die sich
zunächst die Erforschung der geographischen, topographischen,
hydrographischen Verhältnisse angelegen sein ließen, hat seit etwa hundert Jahren die Erforschung dieser alten
oasen-städtischen Kulturen zu erstaunlichen Resultaten geführt. Weniger ist über die Nomaden bekannt; außer
den Tatsachen ihrer Eroberungen; meist erst als Völker, die Staaten bildeten, haben sie das Interesse der Historiker erregt. Die Reiche dieser Reitervölker und Schafe züchtenden Nomaden, die meistens nach dem Tod der
Gründer rasch wieder zerfielen und anderen Platz machten, haben indes den Verlauf der asiatischen und der europäischen Geschichte immer wieder entscheidend
beeinflusst. Die gesamte Region lediglich als Ursprungsgebiet in
der Geschichte wiederkehrender Erobererstaaten, als Herkunftszone von Bedrohungen für Europa oder für China oder für beide, zu verstehen führt indes zu einem
Ethnozentrismus, der nicht viel zum Verständnis beiträgt. In
Zentralasien (es lässt sich historisch keine Trennung zwischen Ost- und West-Turkestan, Xinjiang und
ehem. Sowjet-Mittelasien rechtfertigen) sind kulturelle Synthesen in einer Vielfalt entstanden, die sich in
der Alten Welt sonst nicht wiederfindet. Die Geschichte der Region nur unter dem Aspekt ihrer gegenwärtigen Herrscher zu betrachten wird dem Geschichtsverlauf und der Bedeutung der alten, inzwischen untergegangenen
Kulturen daher ebenso wenig gerecht wie die auf die nationalen Minderheiten, die heute unter fremder Herrschaft und integriert in zwei Weltreiche (China und die
ehem. Sowjetunion) dort leben, eingeengte Perspektive, die die
vorherigen Prozesse und Zustände ausblendet. Und auch die Beobachtung »von oben«, unter dem Blickwinkel des »Großen Spiels« um die Herrschaft über Asien und die Welt zwischen Großbritannien,
Russland, China und minderen
Partnern im vorigen Jahrhundert, also die Bewertung der Region und ihrer Völker allein als Objekt eines von anderen bestimmten
Geschichtsverlaufs, engt das Bild unzulässig ein. Erst alle Betrachtungsweisen zusammen,
verbunden und aufeinander bezogen, ergänzt durch Detailforschung, können den historischen Wirklichkeiten gerechter werden. Die Darstellung
muss hier auf das Verhältnis Chinas zu Ostturkestan (Xinjiang) beschränkt
bleiben; gelegentliche Ausblicke auf Fernwirkungen sind dennoch angebracht. |