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Xinjiang gehört trotz seiner natürlichen Reichtümer zu den ärmsten Gegenden Asiens. Über 80% der Bevölkerung leben unter dem als absolute Armutsgrenze geltenden Jahreseinkommen von US-$ 50, sogar das
Durchschnittseinkommen wird mit US-$ 40 angegeben. Die Umrechnung ist wegen der unterschiedlich strukturierten, staatlich festgelegten Preise indes fragwürdig. Kaufkraftvergleiche auf Grundlage der chinesischen Währung
lassen sich nicht anstellen, und der Anteil der privaten Hof- und Hauswirtschaft zur Selbstversorgung wenigstens mit Grundnahrungsmitteln ist statistisch nicht zu erfassen. Die Reformen haben seit 1981 zu einer
entscheidenden sozioethnischen Differenzierung geführt. Die nun privatwirtschaftlich geführten Betriebe haben in nahezu allen Fällen dieselben chinesischen Leiter wie bisher, denen nun auch das Einstellungs- und
Entlassungsrecht zusteht und die zur Erzielung von Gewinnen angehalten werden. Doch auch die Industriearbeiterschaft ist ganz überwiegend han-chinesisch. Von 200.000 Industriearbeitern im Verwaltungsbezirk Ürümqi sind
nur 20.000 Turkestaner, also 90% HanChinesen. Selbst im noch weit überwiegend uigurischen Kaschgar ist die Belegschaft des größten Betriebes, einer Textilfabrik, han-chinesisch: Von 12.000 Beschäftigten gehören nur 800
nicht zu den Han. Auch bei der Einrichtung neuer Betriebe werden ganz überwiegend Zuwanderer aus den Kernlanden oder Chinesen aus den PAKs eingestellt. Folglich ist die Arbeitslosigkeit unter den Turkestanern erheblich
und erreicht bei den unter 25jährigen in manchen Gebieten 75%. Die Lage der Landbevölkerung, also von vier Fünfteln der Bewohner Xinjiangs, ist womöglich noch trostloser. Das belegt ein Rechenbeispiel. Maximal können
(1990) zehn mu (0,67 ha) Land pro Bauer gepachtet werden. Diese erbringen unter günstigsten Bedingungen 2.500 kg Getreide im Jahr, was einem Ablieferungspreis von tausend Yuan entspricht. Pro mu müssen aber für Pacht,
Bewässerung und allenfalls mögliche Traktoren- und Maschinen-Miete rund 65 Yuan aufgewendet werden; selbst unter günstigen Bedingungen (hoher Ertrag und Verkauf der gesamten Ernte) sind von zehn mu Land also maximal 350
Yuan zu erwirtschaften. In diesem Fall muss Getreide für die Familienernährung auf dem Markt erworben werden: eine Ausgabe von 300 Yuan für die für vier Personen nötigen 750 kg. Von den restlichen 50 Yuan müssen Fleisch
(13 Yuan/kg), Speiseöl (fünf Yuan/kg), Gemüse, Kleidung usw. erworben werden — schon rechnerisch eine Unmöglichkeit und jedenfalls ein Hinweis für eine einseitige Mangelernährung. Zudem ist Pflichtarbeit auf den Feldern
des »sozialistischen Sektors« zu leisten. Die Arbeit auf den Privatfeldern wird deswegen in großem Umfang von Frauen und Kindern geleistet. Das beeinträchtigt wiederum die Schulausbildung. Die Analphabetenrate, die
nach der Volkszählung von 1982 im chinesiscnen Durchschnitt 23% 1990 15,88% der Erwachsenen betrug, liegt in Xinjiang zwar der Statistik zufolge bei 12,75% (1990), nach Angaben nicht chinesischer Beobachter unter den
Turkestanern aber über 30% und bei den Frauen wohl über 50%. . |