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Die viel beachtete Reise des amerikanischen Präsidenten nach China hat deutlich gemacht, wie die USA das künftige Verhältnis zu China gestalten will. Dieses Verhältnis folgt vor allem die Logik
des Geschäftes. Der amerikanische Markt benötigt dringend weiteres Wachstum, die amerikanischen Banken wollen durch Kredite in China Fuß fassen. Auch für die Kritik am innenpolitischen Kurs Chinas hat Clinton eine
passende Antwort gefunden. Mit dem aktuellen Kurs lassen sich Menschenrechtsfragen und wirtschaftliche Grundentscheidungen aus amerikanischer Sicht Überzeugend vereinen. Hierbei wird die Tibet-Frage und das Verhältnis
zum Dalai Lama zur großen amerikanischen Frage der Menschlichkeit in der Region erhoben, gleichzeitig kümmert sich der Großteil der 1000 Mitglieder umfassenden Delegation um die Einfädelung der Wirtschaftskontakte. Teil
dieser medienwirksamen Strategie ist dabei, daß Präsident Clinton die gravierende und allgemein bekannte nationalistische Auslöschungspolitik der chinesischen Regierung in Ost-Türkistan gegen hunderttausende Muslime
fliessend Übersieht. Auch die US-Regierung weiß, daß für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas die Energiequellen Türkistans unverzichtbar sind. Völlig offen blieb auch eine der größten Fragen des nächsten
Jahrhunderts in Asien: was geschieht, wenn Über eine Milliarde Chinesen eine nach westlichen Maßstäben geformte Konsumgesellschaft bilden? Schon heute blickt die chinesische Regierung ratlos auf die zwei großen
Kernphänome dieser rasanten Entwicklung. Zum einen bildet sich in den westlichen Küstenstädten eine schnell wachsende Elite neuer Millionäre, zum anderen sind schon heute Millionen Chinesen entweder arbeitslos
oder aber Teil einer durchs Land wandernde Menge von rechtlosen Tageslöhnern. Im Kapitalismus sind die Menschen leider kein Kapital" hat ein chinesischer Wirtschaftsjournalist die neue Lage unlängst zusammengefaßt.
Die soziale Ungerechtigkeit verstärkt die innere Auflsungsdynamik des Reiches. Es ist klar, daß der gigantische Vielvölkerstaat auf Dauer auseinanderbrechen muß. Die Muslime in Zentralasien sehen in dem unberechenbaren
Giganten eine der Hauptgefährdungen für den Frieden in Asien. Alle diese grundsätzlichen Fragen blieben von Clinton auf seiner Chinareise unbeantwortet. Die Dynamik der wirtschaftlichen Verhältnisse in den USA und die
Verlockungen des chinesischen Marktes lassen Clinton keine andere Wahl, als die wirtschaftliche Verflechtung mit China kurzfristig anzutreiben. Die Islamische Zeitung veröffentlicht eine engagierte Rede vom
Ost-Türkistan-Vertreter Abduljelil Karakash zur verzweifelten Lage der Muslime in China. Die Rede wurde auf einer Versammlung in Weimar gehalten. Bericht über die Lage in Ost -Türkistan Ich möchte damit beginnen,
über die muslimische Ummah im Allgemeinen zu sprechen, da wir alle Teile dieser weiten Ummah sind. Was die Brüder im Kosovo heute erleiden, das ertragen die 25 Millionen Muslime in Ost-Türkistan seit Jahren bis
zum heutigen Tag. Obwohl wir in einer Welt leben und die Ummah zunehmend stärker wird, verbleibt Ost-Türkistan in einem vergessenen Winkel dieser Welt. Ich möchte an dieser Stelle kurz Über unser
Informationszentrum in Deutschland berichten und Ihnen auch einen Überblick über die Menschen Ost-Türkistans geben. Ost-Türkistan befindet sich heute unter Kontrolle der Chinesen, und wenn wir es als Teil China ansehen
würden, nimmt es ein fünftel dessen Fläche ein. Es liegt im Nordwesten Chinas, und seine Einwohner sind die Uighuren, die selbst ein Teil der größeren Nation der türkischen Völker bilden. Das Uighurische Volk hat eine
fast zwölftausend Jahre alte Geschichte und lebt seit dieser Zeit immer in seinem ursprünglichen Siedlungsgebiet. Es ist elf hundert Jahre her, als einer unserer Vorfahren - Satuk BUGRA Khan - den Islam freiwillig
annahm. Es gab keine Schlacht, er nahm den Din aus freien Stücken an, und seit elf hundert Jahren leben wir nun als Muslime. Ich möchte hier keinen geschichtlichen Vortrag halten, sondern möchte nur aufzeigen, daß die
Menschen Ost-Türkistans bis zur letzten Begegnung mit den Chinesen, als die Kommunisten an die Macht kamen, immer frei lebten und immer unter ihrem eigenen Kommando standen. In Jahren 1933 bis 1949 erklärte
Ost-Türkistan sogar zwei Mal seine Unabhängigkeit; diese wurde später nicht von China anerkannt, und es okkupierte das Land und änderte seinen Namen von Ost-Türkistan in Sinkiang Uighur. Die Unabhängigkeit
Ost-Türkistans wurde durch Rußland und China unmöglich gemacht, mit der Zusammenarbeit von Stalin und Mao, die keine unabhängigen Republiken in dieser Region wollten, und der Zustimmung der Briten, die kein
islamisches Staatswesen kannten. All diese Kräfte kamen zusammen und hinderten Ost-Türkistan daran, ein unabhängiges Land zu werden. Seit 1950 haben die Völker Ost-Türkistans nie den Kampf für ihre Unabhängigkeit
aufgegeben, und es hat mehr als hundert politische und militärische Aufstände gegeben. Die dort lebenden Menschen sind sehr stark in ihrem Din. Seit sie den Islam annahmen, waren sie immer ernsthaft in ihm. Allein
dies ist Grund genug für die Härte der chinesischen Unterdrückung: Sie wissen sicherlich, wie machtvoll der Führer Dschingis Khan war, aber nun sind die Mongolen (der Inneren Mongolei) in einer sehr schwäche
Position. Nur die Uighuren und einige Tibeter konnten sich ihre Stärke erhalten, und die Ursache dafür ist ihr Festhalten am Din des Islam und ihre Ernsthaftigkeit dabei. Die Mongolen, die jetzt seit zweihundert Jahren
unter chinesischer Herrschaft leben, haben beinahe ihre gesamte Identität verloren. Sie haben ihre Sprache und ihre Kultur aufgegeben und wurden zu Chinesen. Wie auch immer, die heutigen Han-Chinesen waren historisch
nie unabhängig, sondern sie lebten entweder unter mongolischer oder unter mandschurischer Herrschaft. Dies ist der Grund, warum ich zu den geschichtlichen Tatsachen zurückkehre. Die Chinesen haben, ohne jemals
gekämpft zu haben, alle umliegenden Gebiete und Völker okkupiert mit ihrer Politik der Assimilierung. Wenn Sie genau hinschauen, werden sie sechzig verschiedene Nationen innerhalb der heutigen chinesischen Grenzen
finden. In der modernen Wahrnehmung Chinas kennt die Welt die Uighuren und die Tibeter, aber der Rest wird einfach nur als Chinesen dargestellt. In den vergangenen fünfzig Jahren, schätzungsweise seit 1949,
begannen die Chinesen ihre Politik der Ansiedlung ihres eigenen Volkes innerhalb Ost-Türkistans. Die chinesische Bevölkerung - die damals ungefähr dreihundert tausend zählte - entspricht in der Anzahl heute der
eingeborenen Bevölkerung Ost-Türkistans. Diese Politik wird fortgeführt, und das Ziel der Chinesen ist es, daß dort in der absehbaren Zukunft zweihundert Millionen Chinesen leben sollen. Die Absicht Pekings ist es,
durch Ansiedlung von immer mehr ortsfremden Chinesen die einheimische Bevölkerung auszuschalten. Vor kurzem lebten 25 Millionen Chinesen in dieser Region, daß heißt, es gab einen derartigen Zuwachs, daß die Uighuren
sehr bald nur noch eine Minderheit darstellen werden. Welchen Nutzen hat eine sogenannte Unabhängigkeit oder besser Autonomie für uns? Im Fall des Kosovo, wo die Muslime 90% der Bevölkerung stellen, schützt es sie nicht
davor, verfolgt zu werden. Das uighurische Volk ist sich dieser Gefahr sehr bewußt geworden und macht starke Fortschritte, und es gibt seinem Kampf für Befreiung mehr Gewicht, aber die chinesische Politik hat diese
Gebiete so eingekesselt, daß die Welt keine Nachrichten bekommt und diese Plätze auch nicht besuchen kann. Die Situation ist so zugespitzt, daß in einigen Bezirken ein Dorf nicht weiß, was seinen Nachbarn
geschieht. Die Menschen Ost-Türkistans verlassen sich in ihrem Kampf jetzt auf Allah. Weil wir gesehen haben, was in Bosnien, Afghanistan und anderswo geschehen ist, erwarten wir nichts von
Westen. Auch unsere geopolitische Lage schneidet uns vom Rest der Welt ab. Geographisch gesehen liegt unser Land umgeben von hohen Bergen, von denen einige so hoch sind, daß selbst die Vögel sie nicht überfliegen
können. Ein weiterer Grund für unsere Isolation ist das Unterbrechen jeglicher Sendungen durch die Chinesen, so daß wir keinerlei Fernsehen oder Radio empfangen können. Wie brauchen einen Fernsehkanal oder eine
Radiostation, aber diese Dinge sind sehr teuer und die Anzahl der auswärtigen Uighuren ist sehr gering. Im Augenblick vertrauen wir auf die Entwicklung des Internets und machen auch regen Gebrauch davon, mit Hilfe
unserer jungen Leute, die in den USA studieren und dort Homepages aufbauen, um die Menschen zu informieren. Sie haben es in drei Sprachen programmiert: zuerst in Deutsch, da ich hier in Deutschland lebe, dann in
Englisch, um einem breiteren Publikum Informationen zu geben, und schließlich in Türkisch, da dies unsere Sprache ist und von unseren Leuten gesprochen wird. Jede Woche erneuern wir unsere Nachrichten über die
Vorgänge in Ost-Türkistan, und wir haben eine ausführliche Liste von E-mail-Adressen. Wir informieren die Nachrichtenagenturen und die Medien über unser Land. Wir sind bekannt geworden als Quelle verläßlicher
Informationen und CNN und Time benutzten unsere Informationen regelmäßig. Fünfzig Jahre lang war unserem Volk die religiöse Ausbildung und Erziehung komplett verboten. Wie sie wissen, begann 1966 eine
zehnjährige Kulturrevolution, und während dieser Periode wurden alle Religionen unterdrückt und die Literatur aus den Händen der Uighuren genommen. Die Erziehung wurde verboten, und sie gingen so weit, den Qur'an
anzugreifen, die Kopien aus den Händen der Muslime zu reißen und sie zu zerstören. Heute finden wir fünfzig muslimische Nationen, die politische Unabhängigkeit besitzen und von denen einige sogar sehr reich
sind, aber bisher haben wir von ihnen keinerlei wirkliche Hilfe erfahren. Um ein Beispiel zu geben: die einzige Hilfe kommt von alten Leuten, die auf der Hadsch waren, und dann Bücher kaufen, die sie nach Hause
schicken. Dies ist die einzige Zugangsquelle zu Literatur für uns. Wir wissen, daß es für andere muslimische Länder unmöglich ist, uns mit Waffen oder Geld zu versorgen - aber wie ist es mit dem Zusenden von Büchern?
Sie könnten wenigsten helfen, daß wir unseren Muslimen Bücher zur Verfügung stellen können. Ich bin wirklich enttäuscht Über die Reaktionen auf die Sache Ost-Türkistans. Vor einigen Jahren verließ ich meine Heimat -
und dies folgte nicht dem Wunsch, zu fliehen, um im Westen ein gutes Leben zu haben. Ich ging, um meine Stimme für die Menschen in Ost-Türkistan zu erheben und um die Erziehung unserer Leute im Islam und in den
Naturwissenschaften zu ermöglichen. Ich wurde in die Türkei eingeladen, ich wurde nach Saudi-Arabien und zu anderen Orten eingeladen, aber erfahren habe ich, daß die Leute Versprechen abgeben, aber diese bis jetzt noch
nicht eingehalten haben. Ich kam als einfacher Arbeiter nach Deutschland und baute dann nach einiger Zeit einen Computerdienst auf, und nun produzieren wir eine Zeitschrift in unserer Sprache und Schrift. Außer der
Zeitschrift haben auch zwanzig neue Bücher herausgegeben. Ich möchte an dieser Stelle kurz erklären, was mein Anliegen ist. Ich war letzten Ramadan in Saudi Arabien. Ich ging zum
Ministerium für Islamische Angelegenheiten und ging zu Rabitat. Dort stellte ich unsere Zeitschrift vor, die Unterricht des Qur'an, der Hadithe und Auszüge aus den Arbeiten der berühmten islamischen Lehrer
enthält. Ich stellte dieses Magazin vor und bat um Hilfe und habe keinerlei Unterstützung erhalten. Schaut auf die Christen, was diese tun können. Vor fünf Jahren hatten sie bereits die Bibel in unserer uighurischen
Sprache gedruckt. Eine Organisation aus Hamburg schickte einige Videobänder - in Kasachisch - an unsere Gemeinschaft, die die Geschichte des Christentums vom Beginn an bis heute zeigen. Im Hinblick auf die Propaganda
war dies sehr gut gemacht. Wir alle danken Allah dafür, daß wir Muslime sind, aber könnte nicht mehr getan werden in den Feldern der islamischen Zusammenarbeit und der Da'wa zu
Nichtmuslimen? Ich bin sehr aufgebracht Über die Haltung, die die muslimischen Staaten einnehmen. Ich möchte dies mit einem Beispiel erläutern. Pakistan ist eines unserer Nachbarländer, und sie haben enge Beziehungen
zur chinesischen Regierung. Ich möchte an dieser Stelle nicht gegen die Muslime Pakistans im allgemeinen sagen, ich spreche Über die Regierung und deren Politik, und ich möchte ihnen von einem Vorgang berichten, der
mich sehr wütend machte. Studenten aus Ost-Türkistan, an die zwölf oder dreizehn Jugendliche, die in Pakistan studierten, wurden auf der Grundlage von chinesisch-pakistanischen Regierungsvereinbarungen zurückgeschickt.
Bei ihrer Rückkehr wurden sie nach dem Grenzübertritt vor den Augen der Pakistanis erschossen, die dies einfach geschehen ließen. Mir liegen Aussagen der Islamischen Partei Pakistans vor, daß sie in
Verhandlungen mit China wegen der Kaschmir-Frage steht und deshalb keinen Druck auf China wegen der Muslime Ost-Türkistans aufbauen kann. Die Chinesen haben die Vorgänge in Afghanistan genau beobachtet, und es
war auch bei Tschetschenien klar, daß sie eine solche Situation in Ost-Türkistan fürchten. Es gibt Freiheitskämpfer in Ost-Türkistan, und sie sind gut organisiert, so daß die chinesischen Krüfte keine Macht Über sie
haben. Sie können ihnen nicht beikommen, aber was sie tun ist, daß sie die einfachen Menschen daran hindern, in die Moscheen zu gehen und so ihre 'Ibada zu verrichten. Aber es gibt immer Menschen, die heimlich gehen, um
wenigstens etwas Erziehung im Din zu haben. Um unsere Sicht auf Ost-Türkistan zusammenzufassen: Entweder leben wir nach unserem Willen, oder wir sterben kämpfend. Mein letztes Wort ist, daß wir Freunde sein müssen
mit den Freunden Allahs und Feinde den Feinden Allahs. Bis wir diese Haltung nicht eingenommen haben, können wir nicht zufrieden sein. Verfaßt von Abduljelil Karakash bei einer Vortragsveranstaltung in Weimer |
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